Kolumnen

Chaos de Luxe: Genie & Charakterwrack

Ich habe einen Bob-Dylan-Hau und bin für ein Projekt durch sämtliche Biografien, Interviews, Dokus und durch die irrwitzig fantastischen Texte von „Zimmi“ (so nannte ihn sein Kumpel George Harrison) gepflügt. Es gibt nur eine Handvoll Poeten, die ihm das Wasser reichen können: Baudelaire, Rilke, Trakl und dann wird es dünn. Meine Adoration ging sogar so weit, dass ich morgens bereits mit einem Dylan-Song im inneren Ohr erwachte, der mich den ganzen folgenden Tag nicht verlassen sollte. Letzte Woche war „One Too Many Mornings“ dran. Möglicherweise will ich mir mit dieser Manie auch ein Stück meiner Jugend zurück erobern. Auf meinem Telefunken-Plattenspieler hatte sich „Highway 61“ tausendfach gedreht und immer, wenn beige Menschen mich mit ihrer Ignoranz gestraft hatten, suchte ich bei Prinz Weltschmerz Zuflucht. „Man ist nicht annähernd so besonders, wie man glaubt“ hatte mir Konstantin Wecker einmal in einem Interview erklärt, doch in der lodernden Pubertät ist man natürlich der vollen Überzeugung, dass man einfach nur einzigartig ist. Das Leben räumt einem später diese Attitüden schnell wieder runter. Die manierierten, epigonalen Miniaturen, die ich damals in mein Tagebuch gekritzelt hatte, treiben mir heute noch die Schamesröte ins Gesicht. Dylans große Liebe hat zwar mit „Sad Eyed Lady of The Lowlands“ und „Sara“ die eindringlichsten Liebeserklärungen der Popgeschichte bekommen, doch als Mann muss Zimmi ein Gruß aus der Hölle gewesen sein. Ständig wechselnde Affären, von denen er eine sogar einmal an den Familienfrühstückstisch mitbrachte, worauf Frau Dylan die Reißleine zog und sich scheiden ließ. Genies sind ja oft Menschenvernichter (siehe Schiele, Hemingway, Picasso, Einstein, Brecht, Schnitzler etc.). Man sollte sich wahrscheinlich daran gewöhnen, sie aus sicherer Distanz zu genießen.

Tipp: „Finding Dylan“ am 31. Juli im Schwimmenden Salon: Mit Stefanie Reinsperger und Manuel Rubey.

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