Besser leben dank Selbstbetrug
Von Simone Hoepke
Der Mensch lügt durchschnittlich 25-mal am Tag. Gut so. Die Welt wäre kein besserer Ort, würde jeder sagen, was er sich wirklich denkt. Die meisten wären schneller arbeitslos, enterbt und geschieden, als ihnen lieb ist.
Lügen ist zudem spätestens seit 20. Jänner 2017 salonfähig. Also seit jenem Tag, an dem ein gelbhaariger Mann mit orange-farbenem Gesicht und überlanger Krawatte ins Weiße Haus eingezogen ist. Laut Washington Post posaunt Trump durchschnittlich zwölf Falschmeldungen pro Tag in die Welt.
Otto Normalverbraucher lügt vor deutlich kleinerem Publikum. Die meiste Zeit macht er sich selbst etwas vor.
Gäbe es eine Weltmeisterschaft in Selbstbetrug – ich hätte die Kontaktdaten vom Siegerteam parat. War neulich mit der ganzen Mannschaft essen.
Fixstarterin Nummer eins erzählt im Brustton der Überzeugung, dass sie nächstes Jahr mit ihrem Holden zusammenziehen wird. Er wird sich nämlich von seiner Frau scheiden lassen.
Déjà-vu!
Die Platte hat er ihr schon im Vorjahr aufgelegt. Im Jahr davor und dem zuvor.
Bei aller Freundschaft, wäre Selbstbetrug ein Straftatbestand, müsste man sie anzeigen.
Fixstarter Nummer zwei rollt mit den Augen, versucht einen Themenwechsel. Lädt zum Pokerabend ein. Ins neue Eigenheim am Stadtrand. Die Fahrt dorthin dauert nur eine halbe Stunde, behauptet er. Offensichtlich rechnet er nur die reine Fahrtzeit. Zieht also jene Zeit ab, die er täglich damit verbringt, in die roten Bremslichter anderer Pendler zu starren. Er tut, als würde die Polizei die Straße für alle anderen Verkehrsteilnehmer sperren, sobald er sich hinter das Steuer setzt.
Klassischer Selbstbetrug.
Sehr verbreitet unter Pendlern.
Selbstbetrug ist nicht nur gut fürs Lebensgefühl, sondern auch für die Gesundheit. Wer sich vormacht, genügend Sport zu machen, lebt tatsächlich länger, zeigt eine Stanford-Studie.
Den Plan, einen Schrittzähler zu kaufen, habe ich damit verworfen.