Kolumnen/Bauer sucht Britain

Lektion 9: Warum man im englischen Sommer eigentlich keine Wahl hat

In diesem englischen Sommer drehte sich bis dato alles um die Wahl. Doch mit einer repräsentativen Stichprobe von vier absolvierten Sommern kann attestiert werden, dass man in England zu dieser Jahreszeit eigentlich keine Wahl hat.

Wenn die Wetterprognose nämlich einen Sommertag prophezeit, müssen alle zuvor geplante Termine abgesagt werden und eine Strandtag verkündet werden. Man muss sich versichern, früh aufzustehen, weil man diesmal nicht im Stau landen will. In der Früh muss man einen Proviant aus labbrigem Sandwichtoast vorbereiten, den man nicht essen wird und dessen Zubereitung einen so in Verzug bringt, dass man zu spät loskommt. Man landet dann also im Stau und muss dem jeweils anderen die Schuld dafür geben. 

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Am Zielort muss man sich manierlich in der Schlange vor dem Parkticketautomaten einreihen und mit jedem Parkticketautomatenbenutzer mitfluchen – „bloody stupid system!“ –, weil die Maschine nicht funktioniert. Man muss, wenn man selbst an dem Ticket scheitert, Schuldgefühle bekommen, weil man als (Wahl-)Engländerin niemanden aufhalten möchte. Beim Ausbreiten des Strandtuchs muss man stöhnen, weil es nun „schon recht heiß ist“. Das ist der korrekte Zeitpunkt, um die Thermoskanne Tee herauszuholen. Wenn die erste Welle kalten Meerwassers über die Zehen schwappt, muss man sich umdrehen und rufen „schon frisch!“. Man muss trotzdem einmal komplett ins Wasser. Und am Abend, vor dem Heimfahren muss man sich Fish and Chips am Strand holen. Die Angebotskarte über der Theke ist nur Attrappe. Man muss cod and chips with vinegar bestellen.

Mit den Essig-Pommes und dem frittierten Fisch findet man eine bequeme Stelle am Strand. Die Sonne verschwindet über dem Horizont. Möwen kreischen; die Haut ist salzig und sonnenwarm. Ein Nicken. „Alles richtig gewählt heute.“