Kolumnen/Bauer sucht Britain

Lektion 10: Von der essenziellen Eigenschaft, wenn man als Einheimische durchgehen möchte

Der Blick verrät sie. Zuerst: der unauffällige Scan, ein Abtasten. Gefolgt von: einem Zusammenzwicken der Augen, dazu ein kaum wahrnehmbares Nicken. Schlussendlich: der Versuch, Blickkontakt aufzubauen. „Excuse me“, sagt die Frau mit dem breiten Sommerhut, sagt der Mann mit den zwei kleinen Kindern, sagt das Pärchen mit dem großen Fotoapparat t in den Straßen Londons – und man hofft auf jene Frage, der man als Einheimische während der Urlaubssaison oft auszuweichen versucht, auf die man als Expat in der neuen Heimat sehnlichst wartet. Der Ritterschlag für Umgezogene: Die Frage nach dem Weg.

Immerhin hat man die englische Hauptstadt seit gut drei Jahren inspiziert.

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Man kennt das beste Rooftop-Restaurant (Sky Garden), den besten Ort zum Arbeiten (National Theatre), das ruhige Café ein paar Gehminuten von Big Ben, das man dringend benötigt, wenn es dort zu hektisch wird (St. James’s Café) oder den versteckten Garten hinter St. Paul’s für die Mittagspause, wenn es einmal nicht regnet (Postman’s Park).

Doch alles Wissen ist unzureichend, solange man nicht eine Eigenschaft meistert. Richtige Einheimische sind nämlich eines nicht: begeistert. Sie zücken nicht aufgeregt das Handy, wenn sich der Zug der Station Waterloo annähert und man einen ersten Blick auf das London Eye erhaschen kann. 

Sie halten nicht so ruckartig auf der Waterloo Bridge an, sodass die Pendler hinter ihnen fluchen, nur weil sie einen wunderbaren Blick auf die Skyline mit St. Pauls entdeckt haben. Und keinesfalls stellen sie sich eine halbe Stunde lang in der Schlange vor der roten Telefonzelle am Parliament Square für den ikonischen Schnappschuss mit Big Ben und Doppeldeckerbus an.

Und so gilt das „Excuse me“ der Frau mit Sommerhut, des Vaters mit den zwei Kindern oder des Pärchens dann nie mir.

Mein Blick verrät mich wohl noch.