Chaos de luxe: Authentisch, Baby!
Von Polly Adler
Polly Adler über Frisuren-Psychologie
In der Warteschlange im Supermarkt vertreibe ich mir gerne die Zeit mit der Analyse von Männer-Frisuren. Ich will wissen, was die Jungs mit ihrem
Haarschnitt der Menschheit mitteilen wollen. Die älteren müssen ja oft mit dem auskommen lernen, was ihnen die Natur übrig ließ und tragen gerne einmal Kappen oder Mützchen, die die Hautkreise auf ihrem Kopf zu kaschieren haben. Irgendwie auch rührend. Freie Radikale pfeifen auf diese Camouflage:
Sie machen auf kerlige Kahlrasur, der Subtext der Eggheads lautet: „Authentisch, Baby!
So bin ich und mehr ist es nicht.“ Die mag ich. Dann fallen die martialischen Frisuren auf – hinten stramm hoch geschoren,
vorne etwas Sturm. Das sind dann eher
die Typen, die gerne karbonierte Spareribs essen und Glutenfreiheit für eine politische Bewegung halten. In den letzten Jahren setzte sich auch der Knödelchen-Look in epidemieartigem Ausmaß durch. Egal ob Smoothie-Barkeeper oder Versicherungskeiler: sie alle tragen ihr Haar zu einem „bun“ gezurrt. Der Frisuren-Gag ist übrigens nicht ganz neu, der allererste Knödelchen-Kerl war Buddha, bei dem die weibliche und männliche Seite in Bilderbuch-Balance standen. Der Subtext der Neo-Bunnies lautet: „Hey, ich bin nicht wie die anderen, ich bin ein moderner Mann.“ Einer, der sich frei gemacht hat von den archaischen Klischees. Einer, der von keinerlei Kastrations-Ängsten geplagt wird, wenn er einmal einen
Quinoa-Salat zaubert. Ein Sojamilch-Trinker. Nicht-bei-Amazon-Besteller. Hühner-mit-Vornamen-Esser. Meine Generation war noch nicht reif für diese Typen. Wir Deppen dachten noch, dass es total männlich ist, wenn einer nicht zurück ruft. Bei den sanfteren kamen dann recht schnellflüssig Begriffe wie „Lulu“ oder „Weichei“ rüber. Nostra culpa! Aber ich hätte wahnsinnig gern, dass einer von diesen Quinoa-Boys zur Sicherung meiner Enkelschaft beiträgt. Geht das, bitte?
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