Kolumnen/Andererseits

Hohn- und Nebenkosten

„Fleiß kann nie von der Armut eingeholt werden“, heißt ein Sprichwort aus dem japanischen Volksmund. Ein Sprichwort, das so mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht von allen 4,5 Millionen Erwerbstätigen in Österreich unterschrieben werden würde. Dass im Land der aufgehenden Sonne nicht nur gelächelt, sondern auch viel gehechelt wird, beweist die Existenz des Wortes „Karoshi“, das übersetzt „Tod durch Überarbeitung“ bedeutet. In 20 Prozent der Unternehmen leisten Angestellte monatlich über 80 Überstunden, was eine Erklärung dafür ist, warum es für „Tod durch Überarbeitung“ in keiner anderen Sprache ein eigenes Wort gibt. Es gibt im Übrigen in keiner anderen Sprache ein Pendant zur deutschen „Schadenfreude“, was wiederum viel über uns aussagt.

Um möglichst schnell in den Arbeitsmarkt einsteigen zu können, wird man in Japan mit einem Jahr geboren und mit dem folgenden Jahreswechsel bereits zwei Jahre alt sein. Bedeutet also nach traditionellem japanischen System, dass ein Kind, das am 31. 12. zur Welt gekommen ist, schon am 1. 1. versuchen kann, voller Inbrunst zwei Geburtstagskerzen auszublasen. Arbeitseifer-Sucht sozusagen. Dass man auch ohne Fleiß einen Preis gewinnen kann, beweist die Nehammersche These, dass es aus unerfindlichen Gründen verabsäumt wurde, die Lohn- und Nebenkosten in den vergangenen Jahren zu senken.

In Anbetracht dessen, dass die ÖVP seit 2007 den Finanzminister stellt, kommt diese Arbeitsverweigerung einem Aufschrei von Shell, BP und Exxon gleich, der die unnachhaltige Verfahrensweise des Frackings aufs Schärfste attackiert. Der Wannabe-Volkskanzler meidet derweilen die Worte Erbschafts- oder Vermögenssteuer wie der Teufel das Weihwasser, um in den ja-panischen Gewässern der Noch-Kanzlerpartei auf Wahlfang zu gehen.

Aber auch hier gilt: Der Fisch beginnt am Kopf zu stinken.

Von Paul Pizzera