Kinder-Ärztezentrum: Untersuchung auf Augenhöhe
Von Axel Halbhuber
Den Wegweiser ziert buntes Meeresgetier: Delfin, Qualle, Muschel, Seestern und -pferdchen. Das Wartezimmer ist neu, der Blick fällt auf die großen Symbole an der Wand, die für Behandlungsräume stehen, von Segelboot über Anker bis Leuchtturm. Die drei Gründer der Kinderarztpraxis Schumanngasse in Wien 17 müssen einen Faible für das Maritime haben.
Die Besonderheit dieser Praxis erkennt man erst auf zweiten Blick: Infozettel stecken in 32 Halterungen; auf jedem lächelt eine Ärztin oder ein Arzt ohne Kittel. Interessant sind ihre Berufsbezeichnungen: Neben vielen Fachärztinnen/-ärzten für Kinder-/Jugendheilkunde findet man „pädiatrische Kardiologie“ oder Urologie und Dermatologie für Kinder. Die Idee dahinter: Die Praxis will einerseits als Ärztezentrum gestressten Eltern das Leben leichter machen, spätestens nach dem Impf- und Untersuchungsmarathon der ersten Jahre wissen Papas und Mamas, was gemeint ist. Andererseits greift man den Trend zum Primärversorgungszentrum auf, für Kinder eben. Das versuchen mittlerweile einige Ärzte in Österreich, enden aber meist als Kinderarzt-Sammelpraxis.
Experten nebenan
Den drei Gründern der Schumanngasse ist gelungen, viele Kollegen vieler Fachrichtungen mit Kinderspezialisierung in ihre Ordination zu bekommen. Andreas Hanslik ist selbst Kinderkardiologe und schon lange am AKH Wien: „Wir wollten ein Kompetenzzentrum mit guten Ärzten errichten, in dem möglichst alles angeboten wird. Wenn man lange Zeit selber im Spital ist, kennt man gute Kollegen.“ Der Vorteil seien vor allem die kurzen Informationswege zu anderen Ärzten. „Hier kann ich an die Nebentür klopfen. Dadurch gehen auch weniger Informationen verloren, und es ist gut, wenn man die Arbeitsweisen der Kollegen kennt, denen man einen Patienten zuweist. Lila Seidl-Mlczoch, ebenfalls Mitgründerin, betont den Austausch: „Es geht oft wirklich nur um die Frage: Hast Du so was schon mal gesehen?“
Chronisch Kranke brauchen mehr
Im Therapieraum Krabbe spielt der 19 Monate alte Leo auf dem Boden. In der 16. Schwangerschaftswoche wurde bei ihm ein Herzfehler diagnostiziert, er kam vier Wochen vor dem Geburtstermin zur Welt und musste schon nach wenigen Tagen zum ersten Mal am Herz operiert werden. „Da hatte sein Herz die Größe einer Walnuss“, sagt Leos Mama Nicola. „Die zweite Operation hatte er dann mit drei Monaten und die dritte kommt, wenn er 15 Kilo hat.“ Nicola erzählt das locker, während Leo spielt und dabei von Lila Seidl-Mlczoch untersucht wird. Die ist auch Kinderkardiologin, betreut die Familie seit der Geburt. „Ich war mit ihr ständig in Kontakt“, erzählt Nicola, „sie können dir hier gut empfehlen, mit wem du noch reden könntest.“
Auf Kinder mit hohem Bedarf an medizinischer Versorgung hat sich die Schumanngasse auch spezialisiert. Andreas Hanslik: „Chronisch Kranke brauchen einfach oft mehr Disziplinen, auch Therapeuten.“ Nicola lächelt wissend, sie hatte hier neben Kinderarzt- und Kardiologie-Terminen auch welche bei Osteopathin und Homöopathin, anfangs auch bei der Stillberatung.
Wie sehr das Eltern vor Herausforderungen stellt, weiß Monika Resch. Die Gründerin arbeitet auf der Neonatologie im Wiener AKH und erzählt: „Dort bekommen die Eltern der Frühchen beim Heimgehen so eine lange Liste an nötigen Arztbesuchen, dass ich mir oft dachten: Wie geht sich das bitte aus? Daher war es mein Traum, so ein Kinderärztezentrum zu gründen.“
Terminkalender
Das vereinfachte Zeitmanagement mit schneller verfügbaren Terminen oder gleich zwei Arztbesuchen auf einmal ist privat zu bezahlen, 130 Euro kostet ein Kinderarztbesuch, mindestens eine halbe Stunde lang, aber man nehme sich immer ausreichend Zeit, betont Hanslik. In ausführlicher Nachbetreuung liege das größte Problem in der Kinderheilkunde: „Die Masse der Kinder ist ja Gott sei Dank gesund. Und die größten Probleme von Gehirntumor bis Transplantationen werden bei uns in Österreich immer die besten Ärzte betreuen, das ist für jedes Kind auf höchstem Niveau. Aber die langfristige Betreuung chronisch kranker Kinder ist ein Thema.“ Genau deswegen brauche es auch dringend mehr spezialisierte Kinder-Ausbildungen für manche Fachrichtungen. Lila Seidl-Mlczoch wird noch deutlicher: „Wenn wir wollen, dass die Kinder mit Behinderungen auch leben sollen, dann muss man sich darum kümmern. Frühgeborene bekommen eine Betreuung bis zum sechsten Jahr, aber was ist dann?“
Zeit
Vor allem komme es aber auf das Zuhören und das Tempo an, sagt die Ärztin. „Kinderheilkunde braucht mehr Zeit als Erwachsenenheilkunde. Wenn die Untersuchung nicht gleich so schnell funktioniert, muss man sich Zeit nehmen“, sagt sie und widmet sich wieder Leo. Der lässt sich geduldig untersuchen. „Ist nicht immer so“, sagt Mama Nicola. Heute schon.