Wissen/Gesundheit

Jedes dritte Kind war schon einmal psychisch krank

Die meisten fürchten sich – vor gewalttätigen Erwachsenen, der Schule, der schnelllebigen Welt, vor den Drohungen von anderen Kindern. Viele leiden ständig an Kopf-, Bauch- oder sogar Knieschmerzen, ohne körperlich krank zu sein. Andere an der Armut ihrer Eltern. Ebenso viele sind in ihrem Sozialverhalten gestört oder können ein soeben erlittenes Kindheitstrauma nicht alleine verarbeiten. Abends können sie nicht einschlafen, tagsüber sind sie gereizt. Auch Depression, Sucht, Essstörungen und Zwang bereiten ihnen Probleme.

„Jedes dritte Kind in Österreich hatte schon einmal ernsthafte psychische Probleme“, nennt Caroline Culen eine besorgniserregende Zahl. Culen ist klinische Psychologin an der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde der Uni Wien. Sie hat am aktuellen Bericht zur Lage der Kinder und Jugendlichen in Österreich mitgewirkt. 38 Prozent der Buben und 35 Prozent der Mädchen im Alter von 10 bis 18 gaben demnach bei einer Befragung an, dass sie schon einmal psychische Probleme hatten. Das sind auf Österreich gerechnet fast so viele Menschen wie in Graz, Linz und Innsbruck zusammen wohnen. Ursachen dafür sind Startnachteile aufgrund von Armut, Krankheit oder Unverantwortlichkeit der eigenen Eltern – zuletzt immer häufiger auch die Reizüberflutung in sozialen Medien.

Sehr viele der Kinder, 120.000 an der Zahl, würden sich eine Therapie wünschen. „Erhalten aber keine“, kritisiert Psychologin Culen.

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Oft blutet ihm das Herz

Christian Kienbacher, Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie, sieht die verunsicherten jungen Leute täglich in der Ambulanz im SOS Kinderdorf in Wien-Floridsdorf, die er leitet. Oft genug blute ihm das Herz: „Wenn die Kinder eine klare Diagnose bekommen, aber die dringend benötigte Therapie für ihre Eltern nicht leistbar ist.“

Anders als bei den klassischen Kinderkrankheiten sei das österreichische Gesundheitssystem punkto psychosozialer Versorgung von Kindern und Jugendlichen weiterhin löchrig, kritisiert der Psychiater. „Dabei würden die oft nur punktuell benötigten Behandlungen kein großes Loch in die Budgets der Länder und des Bundes reißen.“ Zudem gibt es 10.000 ausgebildete klinische Psychologen im Land, die den Betroffenen helfen könnten.

„Wir beobachten mit zunehmender Sorge, dass in einem der wohlhabendsten Länder der Welt diese Versorgung nicht gewährleistet werden kann“, erklärt Christoph Hackspiel in seiner Funktion als Präsident der Österreichische Liga für Kinder- und Jugendheilkunde. Der Therapeut fügt hinzu, dass Kinder ein verbrieftes Recht auf gesundes Aufwachsen haben.

Und er kritisiert mit Nachdruck die aktuelle Bundesregierung, „die Maßnahmen beschließt, ohne mit den Betroffenen zu reden“. Bisher sei jede Anfrage der Kinderliga unbeantwortet geblieben.

Am Ende zitiert Hackspiel eine Berechnung des Vorarlberger Landesrechnungshof: „Jedes Kind, das nicht ausreichend behandelt wird, kostet den Staat im Laufe seines weiteren Lebens zwei Millionen Euro. Das ist daher auch volkswirtschaftlich betrachtet völlig unverständlich.“