Leben

Zukunftsserie: Zuhause auf dem Mars

Rund 228 Millionen Kilometer von zu Hause entfernt. Minus 63 Grad Celsius. Totale Isolation. Ohne medizinische Versorgung. Leben im Raumanzug. Kein Problem für Günther, Ludwig und Steve. Günther aus Graz, Ludwig aus Bonn und Steve aus der Schweiz. Sie haben es fast geschafft. Von mehr als 200.000 Bewerbern sind sie unter den letzten 704. Alle drei sind überzeugt, einer von vierzig Auserwählten zu sein, die auf den Mars fliegen werden. Mit einem One-Way-Ticket. Für Günther Golob ist es kein Problem, seine drei Kinder nie wieder zu sehen: Man kann ja auch elektronisch mit Familie und Freunden Kontakt halten, verriet er der „Kleinen Zeitung“, ich sehe sie ja schon jetzt nur noch einmal im Monat. Ludwig aus Bonn fühlt sich als Botschafter der Neuen Weltordnung und der Schweizer Steve ist überzeugt, körperlich voll da zu sein: Immerhin gehöre er zu den weltbesten Athleten beim „Vierstündigen Dauerrutschen im Schwimmbad“ ... Mittels Video haben sich die Mars-Pioniere für ihren Lebenstraum beworben. Für eine Reise ohne Wiederkehr. Für ein Experiment ohne Rückkehrmöglichkeit. Die medizinischen Auflagen: keine chronischen Krankheiten, weder Sehschwäche noch Bluthochdruck. Und keine Beulen am Kopf, sonst passt der Helm nicht, meint Norbert Kraft, der medizinische Direktor des Wahnsinns-Projekts. Günther, Ludwig und Steve, drei Abenteurer, die ein Denkmal zu Lebzeiten werden wollen, deren neue Heimat vielleicht schon in gut zehn Jahren der Wüstenplanet Mars ist. Mars One nennt der geschäftstüchtige Holländer Bas Landsdrup seine bizarre Idee. 40 Freiwillige sollen auf den Mars fliegen. Rund sechs Milliarden Dollar wird das gewagte Unternehmen kosten.

Finanzieren will es die Gruppe um Landsdrup vor allem mit dem weltweiten Medienspektakel Mission TV: Eine Reality-Fernsehshow soll vom Schicksal der Marsmänner berichten. Die Mars One-Macher rechnen gerne vor, dass TV-Sender schon heute für die Olympia-Übertragung vier Milliarden Dollar zahlen – was sind dann lächerliche sechs für die wichtigste Errungenschaft der Menschheit nach der Mondlandung … Der niederländische Endemol-Konzern („Big Brother“) hat sich jedenfalls schon die Übertragung für die Auswahl der Kandidaten gesichert. Neben dem Verkauf der TV-Rechte für die All-Doku-Soap sollen Sponsoren die Finanzierung der Mars-Mission sichern. Vielleicht heißt die erste menschliche Siedlung im Weltraum dann ja McDonalds-Village. Schon 2018 will man mit einer Reihe unbemannter Flüge die nötige Ausrüstung auf den Mars bringen. Damit 2025 die ersten vier Siedler – vielleicht auch Günther aus Graz – nach 210 Tagen Flugzeit in ihrer neuen Heimat finden, was sie zum Überleben brauchen: Für jeden eine eigene Wohnkapsel und aufblasbare Gemüse-Treibhäuser. Für Wasser sollen die Mars-Männer und -Frauen dann selbst sorgen, indem sie das Eis im Boden schmelzen. Dass das alles technisch möglich ist, steht auch für die meisten Experten außer Frage. Weltraum-Pionier Wernher von Braun hat bereits 1952 für die NASA sein Marsprojekt vorgelegt.

Zahlreiche andere geplante Mars-Missionen, wie die des Südafrikaners Elon Musk, der durch PayPal und das Elektroauto Tesla (sein neuestes, spektakuläres Modell D wurde vorgestern präsentiert) reich wurde, oder die des Briten Richard Branson, basieren auf Brauns Berechnungen. Mit denen er zu einer Zeit aufhorchen ließ, als die Angst vor einem Atomkrieg beklemmende Ausmaße annahm. Wie im Buch „Mars-Chroniken“ von Ray Bradbury, in denen sich die Menschen auf den Roten Planeten retten. Die Mars One-Betreiber sind, fern aller Ethik-Einwände, von ihrem Projekt überzeugt und kümmern sich nicht um menschenfeindliche Bedingungen wie kosmische Strahlung auf dem Wüstenplaneten. Im Gegenteil. Wissenschaftler werden in Stellung gebracht. Der deutsche Theologie-Professor Dieter Hattrup („Natur ist diejenige Wirklichkeit, die ich ergreifen kann; Gott diejenige Wirklichkeit, die mich ergreift“) meinte in „Die Welt“ er habe keine moralischen Einwände, andernfalls hätte auch Kolumbus nie über den Atlantik segeln dürfen …

michael.horowitz@kurier.at