Leben

Zeppeline der Zukunft

An Sommertagen konnte man uns mehr im Krapfenwaldl-Bad finden als im Billroth-Gymnasium. Meinen Schulfreund Michael Brauner und mich. Bei schlechtem Wetter gaben wir Klassenvorstand OStr. Otto Öller & Co oft die Ehre unseres Besuchs. Ich starrte wie gebannt auf die Wanduhr über der Tafel, wann denn endlich Pause sei, während mein Sitznachbar Michael ständig zeichnete. Unter der Bank entstanden damals auf seinem Austria-Spiralen-Skizzenblock erste Entwürfe für einen Zeppelin aus Döbling. Schon bald wurde es dem späteren Filmemacher Michael Brauner in Wien zu eng. Gemeinsam mit Freunden wie dem Leder-Createur Robert Horn zog es ihn hinaus, in die Welt. Auch um die Idee des Luftschiffs zu realisieren. Ein alternatives, ressourcenschonendes Verkehrsmittel als Beitrag für eine bessere Welt – wie die jungen Herren selbstbewusst meinten. Euphorisch begann die Laiengruppe um Brauner und Horn, weit entfernt von Ingenieurs-Wissen, Mitte der 1970er-Jahre in einer aufgelassenen Mine in Frankreich das gigantische, sternförmige Innengerüst für das fliegende Monster zu bauen. In Handarbeit umwickelten sie die Rohre mit Grasmatten und fixierten sie mit Epoxidharz. Am Ende des südfranzösischen Sommers war klar, vieles funktionierte nicht, man musste sich schließlich der Realität stellen. In New York eröffneten die Luftschiffer auf der Fifth Avenue ein Büro, um potente Geldgeber für Entwicklung und Bau ihrer fliegenden Zigarre zu finden. Es blieb schließlich beim Projekt eines Wiener Zeppelins der Zukunft, dessen Idee vor fast 50 Jahren in meiner Klasse skizziert wurde.

Das Finanzierungsproblem für gleitende Luxushotels über den Wolken zieht sich wie ein roter Faden über den Himmel der Luftschiff-Träumer. Weltweit findet niemand Financiers, die Hunderte Millionen für ein Projekt ausgeben, das vor allem auch von Dekadenz, Romantik und Luxus zeugt. Der Brand des Hindenburg-Luftschiffs LZ 129, dem Stolz der deutschen Zeppelin-Reederei, im Mai 1937, bedeutete vorerst das Ende der Luftschifffahrt. Doch immer wieder planen Phantasten Zeppeline.

Wie die britische Designergruppe Seymourpowell, die an einem 265 Meter hohen, fliegenden Hotel arbeitet. Der Aircruise-Flieger soll bereits in wenigen Jahren durch den Auftrieb von mit Wasserstoff gefüllten Tanks durch die Lüfte schweben. Leger und langsam. Für entspannte, reiche Reisende. Anders als die Zeppeline von früher ist das Luftschiff nicht wie eine Zigarre, sondern wie ein Diamant geformt. Ohne Wind wird man mit einem Brennstoffzellenantrieb rund 150 km/h erreichen. Eine Reise von London nach New York würde ca. 37 Stunden dauern, für die Strecke von Schanghai nach Los Angeles wären es 90 Stunden. Da ist es angenehm, dass es ein üppiges Raumangebot mit Luxus-Apartments und Bars gibt. „Es geht uns um eine Zielgruppe“, meint Chefdesigner Nick Talbot „für die der Genuss der Reise wichtiger ist, als von A nach B zu rasen“. Höher als rund 3.600 Meter soll der Zeppelin der Zukunft nicht fliegen – denn eine Regulierung des Kabinendrucks ist nicht vorgesehen. Passiert man Sehenswürdigkeiten, kann das 270 Tonnen schwere Luftschiff – dies entspricht ungefähr einem leeren Airbus A380 – bis auf wenige Hundert Meter Höhe abgleiten. Die koreanische Samsung-Gruppe zeigte Interesse an dem Projekt, ob es aber tatsächlich zum Bau des Aircruise kommt, ist ungewiss. Die Briten sehen sich als Luftschiff-Pioniere. Auch der kühne Entwurf eines durchgestylten, hybriden Fluggeräts mit der Form eines UFOs des Designers Mac Byers soll die touristische Luftfahrt in neue Sphären führen. Das Modell des eleganten Flugkörpers erinnert optisch an die Science-Fiction-Filme Thunderbirds und Star Wars. Ob wir jemals in solchen fliegenden Untertassen reisen können, hängt einmal mehr von der Finanzierung des unkonventionellen Luft-Luxusliners ab. Auch der Bau des Aeroscraft, eines geplanten Karbon-Aluminium-Luftschiffs aus den USA, steht noch in den Sternen. Obwohl die Regierung während der letzten 20 Jahre mehr als 35 Millionen Dollar zahlte – und auch die NASA an der Entwicklung mitarbeitet. Der 90 Meter lange US-Zeppelin soll mit der Kraft von unbrennbarem Helium schweben. Und um das 1.000-Fache sicherer sein als die Hindenburg, bei deren Brandkatastrophe während der Landung in New Jersey 36 Menschen ums Leben kamen.