Leben

Nie wieder Gassi gehen?

Menschen werden immer mehr von Robotern ersetzt. In Autos, Fabriken und Büros, bei Pflege, Operationen und gefährlichen Rettungseinsätzen. Und sogar als Killerroboter für militärische Zwecke. Im Zusammenleben mit den früheren Blechtrotteln brauchen Roboter der Zukunft einen moralischen Kompass, meinen Wissenschaftler, sie werden sich auf menschliches Handeln einstellen müssen. Internet-Giganten wie Amazon und Google drängen seit kurzem auch in das zukunftsorientierte Geschäft mit den Maschinenarbeitern. In spätestens zehn Jahren könnten Roboter nicht nur Menschen, sondern auch unsere Haustiere ersetzen. Nach einer aktuellen Studie des australischen Wissenschaftlers Jean-Loup Rault ist es nur eine Frage der Zeit, wann Roboter-Hunde zu Partnern fürs Leben werden, wann sie das Kommando über unsere Tierliebe übernehmen.
Die ernüchternden, tristen Argumente des Forschers der „University of Melbourne“: In der überbevölkerten Welt der nächsten Jahrzehnte sind die Ressourcen zunehmend limitiert. Echte, lebendige Haustiere sind dann ein Luxus, den sich nur mehr wenige leisten können. Stattdessen wird es genügsame, pflegeleichte Roboter-Haustiere geben. Schon jetzt arbeiten vor allem in Asien Ingenieure an solchen Ersatz-Hunden, die virtuelle, soziale Intelligenz vorspielen. Und damit den Wünschen des Herrls nach emotionaler Bindung entgegenkommen: Liebe, Trost, Abhängigkeit – und auch Gehorsam. In Japan werden bereits eigene Friedhöfe für die Ersatz-Haustiere geplant.
Bereits vor 20 Jahren hatte eine Angestellte des japanischen Spielwaren-Konzerns Bandai eine zündende Idee: Viele Kinder wollen ihre Tierliebe ausleben – doch die Wohnung ist zu klein, es gibt kaum Grünflächen, die Zeit ist zu knapp. Tamagotchi – das Haustier für die Hosentasche war geboren. Und machte weltweit Millionen Kinder scheinbar glücklich. Innerhalb eines Jahres wurden 35 Millionen Tamagotchis verkauft. Das Cyber-Haustier-Fieber dauerte zum Glück nicht allzu lange. Die virtuellen Tiere auf einem briefmarkengroßen LCD-Schirm hauchten bald ihr Leben aus.
Tierliebe wird sich innerhalb der nächsten zehn, 15 Jahre rasant verändern. Millionen Jugendliche in den USA und in Asien adoptieren bereits heute online virtuelle Tiere. Sie unterhalten sich über das Smartphone mit Hund oder Katze, Kuh oder Pinguin, können sie füttern und waschen. Nur dann, wenn man gerade Lust dazu hat. Und Gassi muss man auch nie gehen … Im App-Store für virtuelle Freunde heißt es: Wird dein Haustier älter als 50 – oder schafft es durch dich sogar, das Rentenalter zu erreichen? Aber das ist noch nicht alles an kranken Ideen: Der chinesische Webdesigner Jia Yuehang widmet sich der Gehirnforschung bei virtuellen Haustieren: „Die Informationsweitergabe über organische Nervenbahnen bei lebendigen Tieren sollte nicht mystifiziert werden. Es handelt sich lediglich um die Stimulierung synaptischer Strukturen. Dasselbe Prinzip herrscht bei virtuellen Tieren vor, die durch digitale Datenübertragung ihre charakteristischen Merkmale ausbilden …“
Wer will eine Maschine wie einen richtigen Hund lieben? Wer braucht die Zuneigung eines Roboters? Ich gehe jetzt Gassi. Mit Nico, dem liebsten, schönsten und gescheitesten Hund der Welt. Und wir vergessen schnell all die irren Thesen über die Zukunft der Tierliebe

michael.horowitz@kurier.at