Leben

Zukunftsserie: Bambus statt Beton

Wie werden wir morgen wohnen? In Metropolen, deren Stadt- und Raumentwickler immer mehr Smart Cities planen. Mit architektonisch ansprechenden, intelligenten Häusern, die mehr Energie erzeugen als sie verbrauchen. Die Zeiten, in denen es reichte, möglichst viele Silos für möglichst viele Menschen zu bauen, sind längst vorbei. Fantasievolle Wohn-Visionen von schwimmenden Städten oder fliegenden Häusern sind allerdings noch in weiter Ferne. Inzwischen nützen Architekten weltweit, nicht nur in Asien, einen faszinierenden Baustoff. Einen grünen Rohstoff, der schneller wächst als Holz, ohne die Böden auszulaugen – Bambus. Rund 1.400 verschiedene Sorten liefert die Natur im Überfluss, in Südostasien, aber auch Äthiopien, China und Kolumbien. Ein Gras, das jeden Tag wie besessen bis 100 cm wächst und eine Höhe von mehr als 40 Metern erreicht. Mit einer Eigenschaft, die Bauherrn zum Schwärmen bringt: Bambusfasern sind doppelt bis dreimal so stark wie Stahl.

Diese Zugfestigkeit wollen Forscher in den kommenden Jahren nutzen, um aus Bambus eine nachhaltige Alternative beim Bauen zu entwickeln. Bambus statt Beton, Bambus statt Stahl, Bambus statt Zement. Im „Future Cities Laboratory“ in Singapur untersuchen bereits seit vier Jahren mehr als 100 Wissenschaftler, wie es sich in urbanen Zentren in Zukunft möglichst umweltverträglich leben lässt. Zum Team für das Projekt Wohnen mit Bambus gehören Architekten, Bauingenieure, Chemiker und Holztechniker. Gemeinsam versuchen sie, Schwierigkeiten bei der Verarbeitung des organischen Baumaterials zu überwinden. Wie die Anfälligkeit für Insekten-, Bakterien- und Pilzbefall, die enorme Bauschäden verursachen können. Deshalb benetzen die Forscher in Singapur die Bambusstäbe mit Klebstoff. Der Kleber versiegelt die Fasern, macht sie wasserabweisend und widerstandsfähig gegen Insekten & Co. Rund 90 Prozent der zukünftigen Urbanisierung wird in Ländern des tropischen Gürtels stattfinden – dort, wo Bambus wächst. Der grüne Stahl, das vor Ort produzierte, kostengünstige Baumaterial, soll bald die Situation in Entwicklungsländern entscheidend verbessern. Im Herzen Balis gibt es bereits die grünste Schule der Welt: 260 Kinder aus 40 Ländern lernen hier in einer einzigartigen Atmosphäre. Der gesamte Campus ist aus Bambus gefertigt. Der Naturbaustoff der Armen, wie Bambus in Südostasien genannt wird, könnte bald zum Exportschlager armer Länder werden, längst haben Bauherrn weltweit die Vorzüge des günstigen, aber auch nachhaltigen Baustoffes erkannt. Architekten und Künstler sowieso. The Big Bambú, ein Bambus-Objekt aus 7.000 Stäben auf dem Dach des „Metropolitan Museum of Art“ in New York hat schon vor drei Jahren für Furore gesorgt. Ein überwältigendes Kunst-Konstrukt, ein lebendiges Riesen-Mikado. Mehr als 600.000 begeisterte Besucher bewegten sich auf schmalen Pfaden durch die enorme Installation, die durch den Wind ständigen Veränderungen unterworfen war – immer mit dem Blick auf die N.Y.-Skyline und den Central Park. In weniger als zehn Jahren wird es überall faszinierende Bauten aus dem unvergleichlichen Grasgewächs geben. Weltweit haben Architekten schon heute ihre Bambus-Ideen verwirklicht. Bis wir unser eigenes Bambus-Haus haben, träumen wir davon. Bei einer Hot-Bamboo-Massage, bei der die Bambus-Rohre bis zu 60 Grad erhitzt werden und entspannende, wohlige Wärme ausstrahlen. Und wir schmieden Pläne im Kopf für das Wohnen von morgen. Mit dem besonderen Gras. Dem Symbol für Energie, Fruchtbarkeit und langes Leben.