Leben

Gespenstische Spiegelung in Passau

Lang geht sie nimmer, die Sommertour mit meinem Freund Nino – aber dort, wo sie hinführt, da bietet sie mir Perlen. So sah ich zum ersten Mal die prachtvolle Stadt Passau, wo wir beide in einem Zirkuszelt spielen durften. Dieses Zelt steht genau an der Ortspitze, also jener Stelle, wo Donau und Inn sich vereinigen. Hier watete ich nun ins Wasser, das linke Wadl quasi in der Donau, das rechte im deutlich kühleren Inn. Ich spürte genüsslich den Beginn meiner höchstpersönlichen landschaftlichen Aorta, sprich: der österreichischen Donau.

Doch Passau hielt noch anderes für mich bereit: insgesamt eine leicht gespenstische Spiegelung meines Zuhauses. Nicht nur steht in der Mitte ein Stephansdom, der im Mittelalter als „die Mutterkirche des Donau-Ostens“ galt. Auch befand sich mein Hotel in einer Gasse mit nicht alltäglichem Namen – und ich hatte gedacht, es gebe nur eine einzige Gasse dieses Namens auf der Welt, nämlich jene in Erdberg, in der ich wohne! Arg. Ich rief die Liebste an und erzählte ihr alles. Und dann, sagte ich, ist es so wahnsinnig heiß. Geh schwimmen, sagte die Liebste.

Eine nette Dame aus Passau riet mir zu einem nahen Stausee an der Ilz, dem dritten Passauer Fließgewässer, welches sich in Gestalt einer verwurschtelten Ringelnatter aus dem Bayerischen Wald zur Donau hin schlängelt. Nach einem ungeheuer verschwitzten Fußmarsch erreichte ich das Wasser und warf mich sofort hinein. Grundlegend erneuert lag ich auf der Wiese, als eine Hundertschaft bayerischer Schulkinder erschien. Die Lehrer schafften ihnen an, Pflanzen und Insekten zu bestimmen, keinesfalls aber ins Wasser zu gehen. Die Armen. Schon als österreichisches Schulkind habe ich stets die bayerischen Schulkinder bemitleidet. Erst Anfang August, als hinter uns jungen Ösen schon vier genüssliche Wochen Nichtstun lagen, durften die kleinen Bayern in die Ferien. Bewegt trat ich den Heimweg an. An einem Haus im Passauer Vorort Hals sah ich dann noch ein Schild: „In diesem Hause schrieb Franz Lehár seine erste Operette Wiener Frauen“. Auch noch der Franzl! Das war mir zu viel der Spiegelung. Ich spielte mein Konzert und kehrte heim.

ernst.molden@kurier.at