Leben

Würstel und Wursteln im Prater

Es war so: Die Liebste hatte ein Angewandten-Klassentreffen in Kärnten. Unser Freund, der Gumpendorfer, fuhr ans Adriatische Meer, sein Fischerboot bewegen. Die Gumpendorferin und ich blieben in den Schlieren des Wiener Hoch- und Bodennebels zurück, und so verabredeten wir uns, sie mit ihrer, ich mit meiner Brut, im Prater. Erst aßen wir zu Mittag im hervorragenden Würstelstand bei der ehemaligen N- und jetzigen Einser-Endstation. Dann spazierten wir in den Wurstelprater. Nein, es gab keinen Grund, keinen Geburtstag, kein kirchliches Fest, keine zu belohnende Leistung. Einfach nur die Tatsache, dass herbstlich welke Eltern sich’s einmal, einmal! leicht machen und ein bisserl gütige Götter spielen. Jedes Kind durfte drei Sachen fahren und eine Zuckerwatte fressen. Die großen Buben schmissen sich auf die Black Mamba und auf die Ecstasy-Schaukel, die kleineren Kinder rutschten an der Rotor-Zentrifuge die Wände hoch und fuhren mit dem Breakdance-Drahdiwaberl. Außerdem begleitete ich den Zweitgeborenen auf dieses enorme, turmhohe Kettenkarussell und hatte, yeah, keine Panikattacke, weil ich die Hand des Sohnes hielt. Mit der Drittgeborenen fuhr ich Geisterbahn. Ihr war fad, ich war gerührt. Und doch hatte der Samstag einen hochbizarren Aspekt. Auf der Kaiserwiese fand diese Pseudo- München-Oktobersauferei statt. Und wohl deshalb waren Tausende Trachten-Manderln und -Weiberln unterwegs, eh glücklich, weil angesoffen, aber, es tut mir leid, schrecklich anzusehen. Farblich gellende Dirndln, kurze und mittellange Lederhosen. Sogar Lederhosen-Hotpants mit Edelweiß-Highheels dazu, und bei den Herren überdies so Gabalier-Frisuren, die uns immer an das nette Kinderbuch erinnern, in dem sich der kleine Maulwurf fragt, wer ihm auf den Kopf gegackt hat. Wenn ich diese Trachtenepidemien in der Stadt sehe, will ich den Menschen immer zurufen, dass Wien eine Geburtsstätte der Moderne war und noch vor hundert Jahren stilistisch Vorreiterin für die ganze Welt und dass das Leder- und Blumerlzeug, bittebitte, raus aufs Land gehört. Aber dann lass ich’s bleiben, und denk mir, der Blödsinn wird wieder vergehen.