Feuriges Seelenheil
Von Ernst Molden
Es ist jetzt drei Wochen her, da kam unsere entzückende Nachbarin von droben an unsere Tür, läutete und sagte: „Heizen Sie?“. Ich nickte. „Ich meine, heizen Sie mit offenem Feuer?“ Ich nickte wieder. Manche meiner Leser und manche meiner Nachbarn wissen ja, dass wir einen offenen Kamin besitzen. Dieser offene Kamin vom energietechnisch unnachhaltigen Typ Claudia-Cardinale-räkelt-sich-davor-auf-einem-Tigerfell war der entscheidende Grund, mich in diese Wohnung zu verlieben. Von Ende September bis Ende Mai ist er nach der Liebsten und der Brut der unverzichtbarste Verbündete im Handling meiner wechselnden Stimmungen. Meistens feuere ich ihn bei hereinbrechender Abenddämmerung an, an trüben Tagen auch schon früher. Also: Ja, Frau Nachbarin, ich heize mit offenem Feuer. – „Bei mir stinkt's nämlich nach Rauch“, sagte die Nachbarin. Ich erschrak: Sollte das, was mich so glücklich macht, die liebe Dame von oben stören, gar gesundheitlich gefährden? Wir kamen überein, die Hausverwaltung anzurufen. Die Hausverwaltung rief den Rauchfangkehrer an. Zwei smarte junge Rauchfangkehrer kamen und untersuchten Kamin, Rauchfang und Nachbarwohnung. Der Befund war ernst: Rauchfang „lfd. Nro 34“. stellte sich als „wangenundicht zur Wohnung Nro. 14 und zungenundicht zu den Rauchfängen Nro. 33 und 35“ heraus. Ich kam nicht dazu, mich über die amtliche Verwendung von Mundhöhlen- Vokabular für Kamine zu freuen, denn daraus resultierte ein „gesetzliches Heizverbot“. Ich rief die Hausverwaltung an und machte dort einer Dame klar, dass meine Dichtung, meine Musik und mein Seelenheil gleichermaßen vom Funktionieren dieser Feuerstelle abhängig sind. Die Dame verstand: Ein paar Tage drauf schon kamen zwei riesenhafte, rußbedeckte Bosnier und schliffen den Rauchfang. Es war ein grusliger aber auch faszinierender Tag. Wie in dem Film „Delikatessen“ lärmte und rumorte es aus allen Löchern, Öffnungen und Wänden des Hauses. Zuletzt wurde ein Art Probe-Explosion gezündet, die aus dem Kamin unser Wohnzimmer vernebelte, dann war der Rauchfang wieder dicht. Die Rauchfangkehrer kamen und hoben das Heizverbot auf. Es klingt dramatisch, aber: Meine Seele war gerettet.