Leben

Natur, Natur, Natur

Wildnis Wiens, da simma wieder! Die Sonne lässt sich vom März das blasse Antlitz tätscheln, bis es sich wieder erwärmt, und schon folgen wir ihr hinaus. Lobau, der große Panozzaweg. Es sind viele Bärlauchblätter, die wir abreißen müssen, weil sie noch so schmal sind, andrerseits sind Maiglöckerln auszuschließen. Neben dem Weg bimmelt fromm und fröhlich zugleich das Schneeglöckerl, aus dem schwarzen Humus zwinkert das Leberblümchen, Fastenfarben tragend. Der Erstgeborene sitzt in Erdberg und analysiert Conan Doyle für die Englischschularbeit. Da versäumt er was, sagen Liebste und ich, während wir mit der jüngeren Brut osterhasenartig durch das Kraut des Nationalparks hoppeln. Anderntags: Kritzendorf, auf der Donauwiese haben sie neues Gras gesetzt. Der Strom hat wenig Wasser, seine Strände schauen, winterlich grau und zerklüftet, aus den dürftigen Fluten hervor wie Schenkel aus einem Bett. Jetzt gilt es, sich zu straffen, das trifft auf die Donaustrände zu und auch auf uns. Auf Steinen im niedrigen Wasser sitzen Kormorane, große und doch magere Bussarde gleiten tief über die Au. Der Grasfrosch laicht in der Wagenspur. Die Sonne löst in meiner Nase ein zartes Kribbeln aus, Hasel und Erle tun dies in der Nase der Liebsten. Die Kinder haben über den Winter nicht vergessen, dass Spazierengehen beschwerlich und sinnlos ist; sie sprechen dies mehrfach offen aus. Mittags die Einladung bei den Freunden M. und G., die hausen über Kritzi im Wienerwaldgehügel. Erst essen wir jenes Hendl, von dem der Bussard vorhin im blauen Himmel geträumt hat, dann gehen wir noch eine Runde, diesmal durch die silbernen Buchenstämme hinauf aufs Hadersfelder Plateau, von wo man links bis zur Burg Kreuzenstein und rechts bis zum Rehabilitationszentrum Weißer Hof schauen kann. Ich spüre, wie sich mein Leib und meine Seele gleichermaßen rehabilitieren. Der Huskie unserer Freunde wälzt sich im Laub. Die clementinenfarbige Sonne wälzt sich im Wienerwald, dann geht sie unter. Der Leichenwagen liefert uns nach Haus. Bei Betreten der Wohnung grüße ich den Erstgeborenen und sage: Du hast was versäumt! – Gaaanz sicher, sagt er und lächelt mich hinreißend an.