Nasse Tage
Von Ernst Molden
Jetzt ist es naß, wie es sich schickt im April. In der Donau schwappen wieder befriedigende Wassermengen herum, und auch den Wienerwald könnte man auswinden. Mit den Hütteldorfer Freunden haben wir den Cobenzl umrundet. Die Hütteldorfer haben uns ja letztes Jahr den Parapluieberg gezeigt, und der Cobenzl war unsere Revanche. Für mich verlorenen Döblinger ist es ja fast unvorstellbar, daß Menschen Jahrzehnte in Wien leben, ohne den Cobenzl zu kennen. Aber bei den Hütteldorfern ist es so. Sie haben ein Primärerlebnis. Neben dem Gemeinde-Weingut steigen wir über die große Drachenwiese auf, schlagen uns dann in den struppigen Krüppeleichenwald, und erreichen über den Salamanderpfad die Kreuzeiche. Vor hier geht es weiter über den mittelsteilen Weg auf die Kuppe des Latisberges und auf der anderen Seite runter zum Agnesbründel. Kühl ist es, feucht, man will diese Luft so tief einsaugen, wie es geht. Die Hütteldorfer versenken ihre Blicke in einen Wienerwald, der ihrem eigenen Hütteldorfer Wienerwald erstaunlich ähnelt, staunen aber trotzdem. Irgendwas scheint doch anders. – Döbling! sage ich mit einer schwermütigen Bedeutung in der Stimme. Diese verfluchten Zauberwälder. Agnes, die Fee, der Geist des Schwedenkönig Karls, der um das Bründel streift! Ich erzähle, wie sich die Wiener hier einst zu Tausenden trafen, die Lider mit dem Hexenwasser des Agnesbründel benetzend, hoffend auf Wunder aller Art. Im Pferch ober der Quelle träumen die Hängebauchschweine. Zweitgeborener und Drittgeborene reiten die Wippe auf dem Spielplatz zuschanden. Dann kommt die Sonne heraus, Fliegerln und kleine Schmetterlinge steigen überall auf. Meine schöne Frau sitzt am Bankerl und lächelt. Die bösen Würschtln der Birken sind abgeblüht, durch die Nase der Liebsten strömt wieder neue Luft wie das neue Wasser durch die Donau. Wir trinken noch einen Kakao und wandern zurück, andere Waldwegerln durch denselben verwunschenen Bezirk. Man wünscht einander frohe Ostern. Man trennt sich. Als wir den Leichenwagen über die Grinzinger Richtung Donaukanal steuern, zeige ich der Brut wie immer meine alte Volksschule, und wie immer ist es ihnen vollkommen wurscht.