Leben

Gelb und Blau

Jetzt waren wir doch baden. Am ersten Mai, dem Tag der Arbeit, und glauben Sie’s oder nicht, sogar wild! In den Buchten des Donaudschungels unterhalb von Orth, in dieser unglaublichen Sehnsuchtslandschaft aus Inserln und Halbinserln. Erst schnitt ich einen serbischen Zander ein, bei Freund und Wirt Schurl Humer. Dann bestieg ich in Begleitung des Zweitgeborenen die Donau. Wir gingen schreiend hinein, durchschwammen einen eisigen Nebenarm. Von der Liebsten beklatscht, vom Erstgeborenen gefilmt. Die Drittgeborene hatte sich nach kurzem Wasserkontakt mit einer netten kleinen Kathi ins Schilf zum Fröschefangen vertschüsst. Anschließend lagen der Sohn und ich auf sehr vielen sonnenwarmen Kieselsteinen. Eine Badesaison, die so begonnen wird, kann nicht mehr verderben. Schon anderntags in der Früh schritt ich, mein Freiberuflertum eiskalt ausnützend, ins Stadionbad. Diesmal durfte ich rein. Ich stellte zwei Neuerungen fest. Einerseits ist jemand mit dem Eddingstift über die von mir gemochte und oft betrachtete Skulptur „Das Weib“ des Bildhauers Sendak gegangen. Die oder der Unbekannte hat der Dame einen, wie der elegante Wiener sagt, Brunzbuschen aufgemalt. Dies zu sehen, stimmte mich froh, denn es beweist die triumphale Rückkehr der Intimbehaarung in allen Bereichen. Und dann: Ich durchmaß bereits zum fünften Mal das Sportbecken, da verstand ich die zweite, bereits gefühlte Veränderung. Die ganze Fassade jenes flachen Gebäudes, das oben auf der Betonstiege anschließt, ist jetzt von einer tausendbögigen Riesen-Plakatwerbung für Wiens dominante Brauerei bedeckt. Das von dieser Brauerei gern verwendete Gelb durchmischt sich jetzt optisch mit dem Azur des frühlingsfrischen Bades zu etwas nicht nur Gustiösem: Gelb am blauen Wasser führt zu einer ähnlichen Assoziation wie Gelb im weißen Schnee: Die uralte Lulu-Angst steigt hoch. Da wird dann sogar zweitrangig, dass hier Menschen, die ins Wasser sporteln gehen, um mit den Folgen vieler Winterbiere fertigzuwerden, neues Bier auf hundert Meter Länge vorgeführt wird. Was wohl dieses Marken-Bombardement mit den Badegästen macht? Verhaltensforschung war immer schon Teil der Stadionbad-Magie.