Leben

Der große Grusch

Mein Schreibtisch ist aufgeräumt. Total. Picobello. Und ja, ich bin stolz. Kurz durchweht mich zwar der Gedanke, dass Ihnen da draußen das völlig wurscht sein könnte. Aber andrerseits: Womöglich könnten Sie da draußen das hier gar nicht lesen, wenn ich nicht aufgeräumt hätte. Es herrschte nämlich Spätzeit am Erdberger Arbeitsplatz: Meine Tastatur lag zuletzt schief und schneebrettartig auf einem abfallenden Sediment von vier bis fünf ineinander verrutschten A4-Stapeln aus Papieren eher unnötiger Natur. Der Schreibtischmessie weiß es ja: Der verrutschte A4-Stapel bildet oft das Fundament eines kapitalen Sauhaufens. Auf ihm wuchert dann der Überbau, der große Grusch. Stifte. Zeitungen. Leere Tabakpackerln. Konfiszierte Spielsachen der Brut, etwa eine batteriebetriebene Schas-Maschine. Bücher. Tonträger. Bröseln. Basteleien der Brut (Freust du dich gar nicht über mein Geschenk?). Vor meinem Bildschirm lehnte, wenn schon nicht in der Mitte, zuletzt eine halbgerichtete Ukulele. Und noch andere Dinge türmten sich auf. Ganz am Schluss tippte ich meine Sachen schon in einer Art paranoider Übervorsicht, etwas hätte umfallen können.Aber jetzt: Wie immer ist das meiste weggeschmissen, und ein schwaches Viertel in geeignetem Stauraum verschwunden. Die Tischplatte, die unter dem ganzen Grusch noch immer da war, lächelt unter einem Film von Holzpflegemittel in der Sonne. Und genau jetzt ist die Notwendigkeit dieses Schreibtischs im Schwinden begriffen. Die Sonne nämlich, wenn Sie noch wissen, was ich meine, die Sonne kommt zurück. Ich sattle mein Patagonia-Fahrrad. Ich eröffne mein Außenbüro am Gestade des Lusthauswassers. Mit Aufnahmegerät, Schreibbuch und Instrument lungere ich auf meinem modrigen Weidenstamm. Zwei Mal war ich heuer schon hier, und wie unvorsichtige, postwinterliche Fische habe ich sogar schon zwei Vierzeiler eingefangen. Im Außenbüro schaut es übrigens auch aus als wie. Überall Misteln, und die Biber machen großflächig Schluss mit dem Altbaumbestand. Aber hier fühle ich mich bedingt zuständig. Hier ist Naturschutzgebiet, und so legt man gern die Hände in den Schoß.