Leben

Am Apparat

Ich besitze ja kein Mobiltelefon – danke, ich brauche keine Kommentare dazu. Es ist halt so. Ich habe allerdings Festnetz, seit fast zwanzig Jahren dieselbe Nummer. Seit fast zehn Jahren hatte ich dasselbe Telefon, ein Gerät von Siemens, dunkelbraun wie Schokolade, um einen appetitlichen Vergleich zu bemühen. Das hatte ich beim alten russisch anmutenden Wien-Mitte-Interspar gekauft, zu einer Zeit, als The Mall nichts als eine Fantasie im Stirnlappen verwirrter Stadtplaner war. Ich mochte mein Telefon. Doch im Laufe der vergangenen Monate wurde es allmählich hin, zuletzt musste ich den Hörer in einem abschüssigen Winkel von dreißig Grad halten, um den Gesprächspartner zu verstehen. Ganz zuletzt ging gar nichts mehr. Also brach ich auf zum Elektrotandler meines Vertrauens. Als ich eingetreten war, sprach ich zum Telefonie-Referenten: „Ich möchte ein Festnetztelefon.“ – „Wir haben eine große Auswahl“, entgegnete der freundliche Mann, und deutete auf eine Vitrine, die prall gefüllt war mit Drahtlos-Gurken. – „Ich will aber ein richtiges Telefon“, sagte ich, und, als er mich nur anstarrte: „Eins mit Korpus, Kabel und Hörer.“ Der Hintergrund ist einerseits, dass ich den Elektrosmog nicht brauche, andrerseits, und viel wichtiger ist, dass ich einen „Apparat“ möchte, der schwer, wuchtig, verbindlich auf meinem Schreibtisch ruht. Wenn nämlich wer anruft und „Ich möchte Ernst Molden sprechen“ sagt, dann liebe ich es, „Am Apparat!“ zu entgegnen, diese herrlich professionelle, mit einer Prise Amtlichkeit gewürzte Floskel. Dafür aber braucht es einen echten Apparat, an dem man sein kann. All das sagte ich dem Telefonie-Referenten nicht, aber irgendwie verstand er mich trotzdem. Eins haben wir, sagte er, und räumte einen gedeckt silbrigen Apparat hervor, der mir solide und nicht unsympathisch erschien. Ich kaufte ihn und kehrte heim. Der ist aber schiach, sagte der Zweitgeborene. Der hat so riesige Knöpfe, sagt die Zweitgeborene. Der Erstgeborene las die Marke und sagte: „Emporia. Papi, das ist die Nummer eins bei Seniorentelefonen.“ Die Liebste strich mir übers Haar. Ich kam nicht dazu, mich zu kränken, denn jemand rief am neuen Telefon an und verlangte nach mir. „Am Apparat!“, sagte ich, im Vollbesitz der Wahrheit.