Leben

Frühlingsmusik Eins: Das Trojanische Pferd

Ich bin anders als du, ich gehör nicht dazu.“ So geht die zweite Zeile auf der dritten Platte der Band „Das Trojanische Pferd“, auf jenem Album, das ich Ihnen nun als Frühlingsmusik empfehlen werde: „Dekadenz“ – eine Platte, die das Hirn durchputzt. Einmal nämlich spricht hier wer nicht mit gespaltener Zunge, wie es bei Karl May so schön heißt. Dafür in Zungen und ohne jede falsche Höflichkeit. „Mit dem Kopf durch die Wand / und das bei vollem Verstand. / Ich hab Menschen verschreckt, / ich war wohl zu direkt.“ Hubert Weinheimer, Texter, Sänger und Mittelstürmer dieser Band, sagte vergangene Woche in einem blitzgescheiten Ö1-Interview sinngemäß, es gehe ihm mit seiner Kunst um einen Appell an seine Hörer, sich nicht länger verarschen zu lassen. Ja, bei einem solchen Kreuzzug, da nehm ich meinen Gehstock und schließe mich an. Weinheimer, reite du voran! Hubert Weinheimer ist ein Mensch, den ich jetzt neun Jahre kenne, seitdem hab ich ihm jedes künstlerische wie private Wort geglaubt. Hubert Weinheimer traf ich auf einer teuflisch faden Podiumsdiskussion zum Thema Liederschreiben. Der Dichter und Sänger aus dem innersten Österreich, dem lyrisch verfluchten Salzkammergut, enterte damals die Bühne, spielte ungefragt ein Lied namens „Wien brennt!“ und begab sich auf seine Reise. Mit dem Cellisten und Komponisten Hans Wagner formte er „Das Trojanische Pferd“. In einer besseren Welt wäre der Weinheimer heute weltberühmt, für die kuschelig mit Schleim ausgepolsterte Wiener Kunstöffentlichkeit war er vielleicht stets ein wenig zu gescheit und zu brüsk. Als „Das Trojanische Pferd“ in den Nullerjahren erstmals nach Berlin fuhr, sprayten Fans nach dem Konzert auf eine S-Bahn-Mauer eine Zeile der Band: „Was nützt der Weltraum ohne Romy Schneider?“ Heute singt Weinheimer: „Die Graffitten sind längst von den Wänden verschwunden / und mir waren letztendlich die Hände gebunden, / ich hab alles und jeden zum Frühstück gegessen, / die traurigen Clowns und die glücklichen Eltern.“ Kaufen Sie diese Platte. Lauschen Sie ihr, bis der Sommer kommt und darüber hinaus. Sie werden sich jünger und stärker fühlen. Sie werden Sachen verstehen.

ernst.molden@kurier.at

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