Gärtlein des Fleisches
Von Ernst Molden
Die historische Markthalle in Wien-Mitte, deren entschlossener Anhänger ich war, hatte diverse Fleischhauer. Die beiden von mir favorisierten befanden sich direkt nebeneinander. Da war der Burgenländer, zuständig für Schwein und Wurst, und der Levantiner, der Herr von Lamm und Rind. Letzterer war ein unwahrscheinlich netter Mensch, einmal widmete ich ihm im Überschwang des Herzens sogar ein Lied: Fleischhauer, Fleischhauer, Fleischhauer vor mir! / Gib mir ein Schnitzel, oder gib mir gleich vier! / Damit ich mich nicht / Im Abstrakten verlier.“ Ja, aber dann schloss die Markthalle, und wieder ein paar Jahre später zogen wir nach Erdberg. Hier kaufte ich das Fleisch dann in den Supermärkten, redete es mir mittels der sympathischen Männer und Frauen hinter den Theken schön. Bisweilen ging ich rauf zum Rennweg, wo es einen großen Abholmarkt mit guter Ware gibt. Aber ein echter Fleischhauer, mit dem man ja – das Fleischliche in seiner Berufsbezeichnung suggeriert es bereits – eine Art intime Beziehung hat? Nicht wirklich. Dann aber briet die Liebste unlängst diese Naturschnitzerln, und sie waren so fein, so delikat … – Woher sind die? fragte ich. – Aus der Baum, sagte sie. – Echt? fragte ich wieder. Das Geschäft in der Baum, neben dem superscharfen Thai-Imbiss, zwei Blocks vor unserem Eissalon, hatte ich für längst geschlossen gehalten. Ich Narr. Nun ging ich hin. Drin stand eine herzliche Dame von höchster Kompetenz. „Anderthalb Kilo Kalbsschulter“, sprach ich, „für ein Gulasch.“ – „Schulter ist aus“, sagte die Dame. „Aber das Vogerl ist eh viel besser.“ – „Wo stammt das Vogerl her, anatomisch?“ – „Vom Wadl. Beim ausgwochsanen Rind haast’s Wadschinken.“ So lernte ich dazu, dieweil die Fleischhauerin das altrosa Vogerl in perfektes Gulaschmaß schnitt. In der Zwischenzeit entdeckte ich die Ostereier, die nicht wie im Supermarkt postmodern gefärbt im industriell vorgefertigten Karton steckten, sondern, ausschließlich in Primärfarben, auf einer Serviette in einer Tupperware ruhten. – „Gemsma zwaa!“, sprach ich. Am Heimweg sang ich die Hymne „In The Neighbourhood“ von Tom Waits. Und was das Fleisch angeht, bin ich wieder bummfest vergeben.