Leben

„Weißt du noch…?”

Es war ein „Weißt du noch“-Urlaub. „Weißt du noch, als du dir die Haare hellgrün gefärbt hast?“ – „Weißt du noch, als wir in Südfrankreich Kuchen beim Bäcker aus der Auslage gefladert haben, weil wir komplett flach waren?“ – „Weißt du noch, als du 180 Fehlstunden hattest und sie dich beinahe aus der Schule geworfen hätten?“ – „Weißt du noch, als du beim Autostoppen an eine hemmungslose Lesbe geraten bist?“ – „Weißt du noch, als ich auf einer Messe bekifft in einem roten Aerobicanzug herumlief und Ärzte an mir neues Leichtgipsmaterial ausprobierten?“ Meine Freundin M., die auf Mallorca lebt, und ich, wir kennen einander nun ja ... seit unserem 12. Lebensjahr. Bei meinem Besuch vorige Woche wateten wir durch unsere Jugend in einer Kleinstadt. Auch Männer-Bilanzen wurden gezogen. Wir hatten beide kein goldenes Händchen bei der Wahl jener besessen, an die wir später unser Herz verschleuderten. „Bereust du etwas?“, fragte sie mich, als wir im „Café Espagnol“ den lokalen Männern beim lauten Nicht-Zuhausesein zusahen. Ich dachte nach: „Abgesehen von einer ziemlich afrikanischen Kindsaufzucht, die der Fortpflanz erdulden musste, in Paris verprassten Lebensversicherungen sowie dem Konsum von 100.000en Zigaretten und viel zu vielen Gin’n’Tonics, viel zu wenig Schlaf vor Mitternacht, viel zu vielen Kühlschrankbesuchen nach Mitternacht, einigen großen Lieben zu sehr kleingeistigen Menschen, einigen kleinen Lieben zu Menschen, deren wahre Größe man erst viel später kapieren sollte, und einem grundnaiven, unerschütterlichen Glauben, dass die Karmapolizei manchmal doch nicht schläft – eigentlich nein!“ – „Na ja“, lachte M., „so gesehen hast du alles richtig gemacht, was man falsch machen kann. Besser als umgekehrt!“ Wie schrecklich beruhigend!

polly.adler@kurier.at