Leben

Verführung auf Französisch

Sie sind leicht bekleidet und haben doch viel Stoff um sich, die Damen vom Pariser NachtklubCrazy Horse“. Zweieinhalbtausend Paar Strümpfe, fünfhundert Liter Make-up und 300 Lippenstifte mit dem Farbton „Rouge Crazy“ soll die Augenweide des Varieté bei der Produktion der Revue „Feu“ („Feuer“) verbraucht haben.

Die Show, die der französische Schuh- und Taschendesigner Christian Louboutin als Gast-Creator des Hauses an der 12. Avenue George V inszeniert hat, birgt alle Zutaten einer außergewöhnlichen Attraktion. Natürlich, da sind die atemberaubenden Schönheiten im Einheitslook Kleiner-Busen-schmale-Hüften-lange-Beine. Nicht, dass die blonden, silbrigen oder schwarzen Pagenköpfe hier keine Rolle spielen, aber die Choreografie von „Feu“ lenkt die Aufmerksamkeit auf eine besondere Region. „Ich bin es meinem Beruf und dieser Kunst schuldig, mich auf die untere Hälfte der Frau zu konzentrieren“, so Louboutin.

Als Jugendlicher jobbte der Modedesigner, dessen Schuhkreationen kaum unter 400 Euro zu haben sind, im Revuetheater Folies Bergère. Dass er nun dem 1951 gegründeten Nachtklub Beine macht, passt zum Programm der Leitung unter Andrée Deissenberg. Die neue Direktorin des altbekannten Etablissements setzt auf große Namen. Die Burlesque-Künstlerin Dita von Teese und Pamela Anderson glänzten zuletzt mit eigenen Programmen auf der Pariser Traditionsbühne, beide übrigens in Pumps von Louboutin. Es lag also nahe, den Superstar der Luxus-Sohle, der sich sonst vom Cabaret und seinen Tänzerinnen inspirieren lässt, zu bitten, höchstpersönlich eine Show rund um seine Kreationen auf die Bühne zu bringen.

„Es geht hier um die Verherrlichung des Gangs“, beschreibt Louboutin vage die Varieté-Szenen, die vielsagend mit „Leçon d' érotisme“, „Legmania“ oder „Voodoo“ betitelt sind. Zu sehen sind zwölf Nummern, die jeweils etwas mehr vom weiblichen Körper enthüllen. Zwölf Akte, die „die Sprache des Körpers“ vom Schnürstiefel bis zum Spitzenschuh mit Pfennigabsatz inszenieren. Dabei kommen die Tänzerinnen mit Namen wie Dekka Dance, Zula Zazou oder Mia Boum Boum ebenso zu Wort wie Christian Louboutin, der auf einem rotmundigen Dali-Sofa sitzend, mit Kennerblick von sich sagt: „Seit ich zwölf Jahre alt bin, bin ich in die Welt der Tänzerinnen vernarrt.“

Dank aufwendiger Inszenierung in 3-D-Technik hat man als Kinobesucher das Gefühl, im Pariser Revue-Theater selbst zu sitzen – noch dazu in der ersten Reihe. Befremdlich wird das dennoch nie, denn für eine erotische Show sind die Tänzerinnen geradezu züchtig gekleidet, jedenfalls nie ganz nackt – und sowieso ständig raffiniert in Licht und Schatten gehüllt.

Wer einen ungeschminkten Blick hinter die Kulissen des „Crazy Horse“ erwartet, ist bei dem vor zwei Jahren entstandenen Film des amerikanischen Dokumentaristen Frederick Wiseman besser aufgehoben. „Feu“ wirkt hingegen wie ein – gut 80 Minuten langer – Werbefilm in eigener Sache.

Was nicht missverstanden sein soll: Für die globale Weiterverbreitung der seit Jahrzehnten bewährten Marke „Crazy Horse“ ist der Film – mit der Musik von Kultregisseur David Lynch sowie von Madonna-Produzent Mirwais – sicher so hilfreich wie die im Jahr 2001 gegründete Dependance im MGM Grand Hotel in Las Vegas. Aber wer das Original sehen möchte, für einen Städtetrip keine Zeit hat, aber dennoch schon immer wissen wollte, was man unter Magie der Verführung alles verstehen kann, ist mit dieser Filmfassung bestens bedient.

www.lecrazyhorseparis.com