Leben

Unser Erbe: Kultur & Natur aus Österreich

In Frankreich ist es die Kochkunst, in Italien die Kunst des Geigenbaus – und in Österreich zählen unter anderem die Hohe Kunst der Spanischen Hofreitschule und das Krampusspiel zum schützenswerten Kulturerbe. Seit dem Jahr 2008 erstellt die UNESCO eine Liste zur Erhaltung des immateriellen Kulturerbes. Dazu zählen Bräuche, Tänze und Handwerkskünste. In Österreich befinden sich 79 Eintragungen auf dieser Liste, darunter so unterschiedliche Fertigkeiten wie der „Burgenländische Indigo-Handblaudruck“, das Maultrommelspiel oder die „Österreichische Gebärdensprache“. Aktuelle Neuzugänge sind: „Die Flößerei auf der Oberen Drau“ und das „Öblarner Krampusspiel“. Es bleibt abzuwarten, was da noch alles auf uns zukommen mag.

Die Kunst, mit Vögeln zu jagen, gilt in zwölf Staaten als „immaterielles Kulturerbe der Menschheit“. Österreich hält mit seiner Begeisterung für diese Fertigkeit nicht hinter dem Berg. In allen Bundesländern lassen kundige Falkner diese Vögel fliegen. Auch Habichte, Sperber und Adler werden dafür eingesetzt.

Dieses Blau! So intensiv, tief und magisch wie hier strahlt es sonst nirgends. Wer immer die Blaudruck-Werkstatt der Familie Koó im burgenländischen Steinberg besucht, wähnt sich in einer alten Welt – und in einer anderen Zeit. Andere Betriebe dieser Art haben längst auf Hightech und Massenproduktion umgestellt, hier wird noch jahrhundertealtes Handwerk praktiziert. Vor vier Jahren wurde dieser Indigo-Handblaudruck in die UNESCO- Kulturliste aufgenommen – damit Besucher weiter ihr Blaues Wunder erleben.

Die Kunst, Holz in Kohle zu verwandeln, wird an den Ausläufern der Rax schon seit dem 12. Jahrhundert ausgeübt. Von Generation zu Generation wurde das Wissen um diese Handwerkstechnik weitergegeben. Die wenigen österreichischen Köhlereien sind über das ganze Bundesgebiet verstreut, wobei das niederösterreichische Rohr im Gebirge mit derzeit sechs Köhlereibetrieben ein regionales Zentrum der heimischen Köhlerei bildet – ein echtes Cluster quasi. Heute wird die erzeugte Holzkohle hauptsächlich als Grillholzkohle verwendet – zum Grillen im Sommer und Maronibraten im Winter.

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Seit geraumer Zeit macht das südoststeirische Vulkanland durch aromatischen Wein und würzigen Schinken von sich reden. Wesentlich länger aber kennt man dort den kundigen Umgang mit geflochtenen und genähten Weiden, Stroh und gespaltenem Holz. In vielen Teilen Österreichs war das Flechthandwerk wichtiges Hausgewerbe. Die Südsteiermark hat sich den Variantenreichtum der Flechtkunst erhalten. Noch heute treffen einander Korbmacher regelmäßig, um sich über Material und Techniken auszutauschen.

Noch vor wenigen Jahren galt dieses Handwerk als hoffnungslos „out“. Dann rückte eine Landesausstellung die „Eisenstraße“ samt ihren traditionell betriebenen Handwerken und Gewerben erneut ins Licht. Schließlich erfuhr das spektakuläre Spiel mit dem Feuer, durch das alle zwei Jahre in Ybbsitz abgehaltene „Ferraculum“-Fest und die Aufnahme in die UNESCO-Liste, fast so etwas wie ein Revival. Das nächste „Ferraculum“-Fest findet im Juni 2016 statt. Drei Tage lang wird dann wieder gehämmert, gebogen, geschmiedet – und gesungen.

Mit Staunen steht man davor, macht man erstmals Bekanntschaft mit diesem Handwerk. Langsam, aber doch wird die Rinde von Föhrenbäumen geritzt, um so den natürlichen Harzfluss künstlich anzuregen. Das gewonnene Harz, auch Pech genannt, wird dann zu Terpentinöl verarbeitet; jahrhundertelang war dies Grundlage zur Herstellung von Papier, Farben, Lacken, Seifen, Schuhcreme und Imprägniermittel. Die Industrialisierung brachte das Aus für die Pecherei. Erst die Aufnahme in die UNESCO-Liste schaffte es, diese Fertigkeit für die Nachwelt zu erhalten.

Muss das sein? Selbst etwas so vitales wie das bekannteste Weihnachtslied der Welt befindet sich auf der UNESCO-Liste der immateriellen Kulturgüter? Die Konkurrenz durch „White Christmas“ und verwandte Songs ist im globalen Maßstab eben doch gigantisch. So gesehen, kann ein wenig UNESCO-Schutz für den 1818 komponierten Klassiker nicht schaden. Und wer weiß, vielleicht benötigt in ein paar Jahren auch „Last Christmas“ derartige Hilfe.

Eine Schale Kaffee ausschenken kann jeder. Aber dieses Ensemble aus Melange, Marmortisch, Thonetstuhl und dem Zeitungstisch verströmt eben jene unvergleichliche Atmosphäre, die einer Adelung durch die UNESCO würdig ist. Ein Glas Wasser und ab und zu eine Sachertorte dürfen natürlich genau so wenig fehlen wie der Ober im Smoking. Das Wichtigste bei aller Authentizität aber ist, dass bei zunehmender „Coffee to go“-Manie das bewusste Verweilen in einem Kaffeehaus wieder an Wert gewinnt.

Vom geliebten Prestigeobjekt zur beliebten Touristenattraktion: Das „Weiße Ballett“ weiß Besuchern aus aller Welt zu gefallen. Die Spanische Hofreitschule Wien ist die einzige Institution der Welt, an der die Reitkunst in der Renaissancetradition der „Hohen Schule“ seit fast 450 Jahren lebt und unverändert weiter gepflegt wird. Fast täglich werden die weißen Hengste von ihren Bereitern „gymnastiziert“. Das Beste: Besucher dürfen dabei zuschauen.

Vom Aberseer „Schleuniger“ bis zum Schuhplatteln: Der heimische Volkstanz in all seinen Traditionen und Spielarten zählt seit Juni des heurigen Jahres ebenfalls zum immateriellen Kulturerbe. Damit einem nicht nur beim Zu- schauen schwindlig wird: Die „Österreichische Volkstanzbewegung bewahrt, sichtet und sammelt die Tänze nicht nur für die Nachwelt. Verstärkt werden unterschiedlichste Tänze in Kursen auch gelehrt und somit vor dem Aussterben sowie dem Vergessen bewahrt.

Franz Stelzhammer nahm sie in einem Vers auf und „Biene Maja“-Heuschreck Flip tanzt nach ihren Lauten. Über Asien schaffte die Maultrommel einst den Weg nach Europa. In Molln/OÖ wird das „Brummeisen“ seit dem 17. Jahrhundert erzeugt. Man glaubt es kaum, aber heute ist dieses Instrument auch auf YouTube ein Hit.

Schon etwas vom Lungauer Tauernroggen gehört? Oder vom Waldviertler Graumohn (u.)? Wenn, dann ist das ein Verdienst der UNESCO. Denn auch das Wissen um den traditionellen Samenbau wird demnach geschützt.

Präzision und Pracht: Eine Mehrzahl von Spezialisten ist notwendig, um ein Gerät zu fertigen, das dies vereint. Schäfter, Graveure und Büchsenmacher bringen Holz und Metallteile so in Form, dass sie seit Jahrhunderten als „Ferlacher Büchsenmacher“ weltweit ein Begriff sind. Im Jahr 2010 schossen sie mit der Aufnahme in die UNESCO-Liste den Vogel ab.

freizeit: Wie hat sich die Aufnahme in die UNESCO-Liste bisher für die „Wiener Dudler“ ausgewirkt?

Agnes Palmisano: Wer sich für das „Immaterielle Kulturerbe" interessiert, bleibt meistens auch beim Dudeln hängen. Es findet immer wieder einmal Beachtung in einem größeren Kontext. Und es ist wohl schon ein bisschen so: „Wo UNESCO draufsteht, ist Seriosität drin." Das muss also was Besonderes sein. Und ist es ja auch. Es war für mich eine gute Möglichkeit, auf alte Traditionen aufmerksam zu machen und ihnen in einer globalisierten Welt einen Raum zu geben.

Hat die Einreichung zur Aufnahme in die Liste Geld gekostet?

Nein, nur Zeit.

Hilft die Aufnahme in diese Liste bei der Verbreitung des „Dudelns“?

Das "Dudeln" hat keine Lobby hinter sich und keine Sponsoren. Es verbreitet sich ausschließlich darüber, dass Menschen bei einer Gelegenheit (bei einem Konzert, im Radio ,…) Dudler hören, oder von einem Workshop lesen, den ich anbeite und neugierig sind. Dass sie Gefallen daran finden, mehr davon hören wollen oder darüber Freude am Singen generell und an dieser Art im Speziellen finden.

Besteht ein globaler Austausch zwischen den Antragstellern?

Ich war einmal im Ötztal zu einem Abend mit "immateriellen Kulturerbe" eingeladen. Die Ötztaler Mundart fand ja auch Aufnahme in die UNESCO-Liste. Da hatte ich den Eindruck, dass die Gemeinden, die Bürgermeister, der Tourismus sehr dahinter sind, das mitzufördern. Es gab Bücher und T-Shirts mit der Aufschrift "Ich bin immaterielles Kulturerbe" etc. Das Dudeln ließe sich zweifelsohne diesbezüglich ebenfalls wunderbar vermarkten. Aber wie gesagt: es gibt keine Lobby, keinen Dachverband der Dudler und Dudlerinnen Wiens, keinen Verein - daher auch kein globaler Austausch und keine Vernetzung. Aber ich habe eine tolle Idee. Von Seiten der UNESCO gibt es ja keine Subventionen, aber vielleicht wäre das was, wofür man von der Stadt Wien ungeahnte Geldflüsse zur Förderung und Verbreitung des Dudelns in Empfang nehmen könnte? Für den Aufbau und den Betrieb einer Homepage mit Events, Workshops, CDs zum Selberlernen, Liederbücher, da könne man sich ja wild betätigen - wenn man sonst nichts zu tun hätte. Derzeit mache ich alle zwei Monate einen "Stammtisch" zum Mitsingen, etwa 5 Workshops pro Jahr und keine Ahnung wieviele Konzerte ...

Hat diese Liste vielleicht auch bei Ihnen das Interesse an einem besonderen Kulturerbe geweckt?

Die "Rapid Viertelstunde" war mal im Gespräch, da ist aber nichts geworden …

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