TV-Star Roland Trettl: "Kochen hat mich genervt"
Von Barbara Reiter
Da kommt er, Roland Trettl, schick gestylt mit einem Grinsen im Gesicht. Seit er vor zweieinhalb Jahren als Mastermind des Hangar-7 ausgestiegen ist, hat sich im Leben des Südtirolers viel getan. Aus dem gefragten Starkoch wurde ein gefragter Fernsehstar, der mit Angeboten überschüttet wird. Trotzdem beantwortet er unsere Interview-Anfrage rasch und unkompliziert. „Normalerweise macht das nur mein Management. Nachdem Sie geschrieben haben, dass Sie für ein Interview auch nach Bozen kommen würden, habe ich spontan ja gesagt. Wer tut sich das heute noch an?“ Das Treffen fand dann in der Nähe von Trettls heutigem Wohnort in Salzburg statt.
Herr Trettl, zurück in Ihrer ehemaligen Wirkungsstätte Hangar-7. Wie fühlt sich das an?
Gut! Das waren elf Jahre Vergangenheit. Die Vergangenheit macht aus einem das, was man in der Gegenwart ist und Zukunft sein wird.
Mittlerweile kochen Sie ein anderes Süppchen und moderieren zahlreiche Sendungen im deutschen TV. Es fällt auf, dass Sie sich als Südtiroler bemühen, schön zu sprechen ...
Mach ich das? Die grammatikalischen Fehler kommen schon durch. Mit als und wie tu ich mir schwer. Aber ich bin ja kein Schauspieler und muss das nicht können. Ich bin in jeder Show der Roland Trettl und mag nur Formate, in denen ich auch authentisch sein kann.
Köche als Stars, das war nicht immer so.
Man darf nicht vergessen, dass das nur wenigen gelingt. Ich hatte das Glück, den Spagat zu schaffen – vielleicht deshalb, weil ich mutig war. Hätte ich auf die Leute rund um mich gehört, wäre ich in der Küche gestanden, bis ich 65 bin. Wie krank ist die Einstellung, dass man ein ganzes Leben dasselbe machen muss? Ein Teil der Menschen ist viel zu ängstlich.
Sie waren 30 Jahre in der Spitzengastronomie. Wäre es so schlimm gewesen, Ihr Leben in dem Beruf zu verbringen?
Ich koche ja heute noch auf Events und es macht mir unfassbar viel Spaß. Ich bin auch kein Koch, der dann dort nur seine Autogramme schreibt, sondern schäle meine Zwiebeln selbst und setze am Tag vorher alle Soßen selber an. Das Feuer für das Kochen brennt heute eigentlich mehr denn je in mir – weil ich es nicht mehr machen muss! Ich entscheide, ob ich auf einem Event kochen möchte oder nicht.
Ist man wirklich ängstlich, wenn man Bedenken hat, den Job zu wechseln wie Sie? Was ist mit den finanziellen Verpflichtungen, der Familie?
Man darf da einfach nicht nervös werden. Als ich mit der Spitzengastronomie aufgehört habe, war mein Kontostand auch einige Zeit brutal im Minus. Aber ich weiß, dass ich was kann und habe auch eine Frau, die zu mir steht. Solange wir uns lieben, können wir auch in einem 30-m²-Zimmer mit unserem Sohn glücklich sein. Da sind wir uns einig. Mit so einem Menschen an der Seite lebt es sich natürlich leichter, als mit einer Frau, die nur den Luxus liebt. Davon gibt es ja genug.
Klare Worte, mit denen man sich nicht bei jedem beliebt macht.
Dafür bleibe ich mir treu. Ich liebe mich lieber selber, als von allen geliebt zu werden. Wer das versucht, hat keine Chance.
Warum haben Sie nach dem Hangar-7 ein Praktikum bei einem Bildhauer gemacht und sind nicht gleich zum Fernsehen gegangen?
Das war nicht geplant. Ich weiß nie, wie meine Zukunft aussehen wird. Ich gehe sehr befreit an die Dinge heran und habe an meinem Leben gemerkt, dass du auf diese Art umso erfolgreicher sein kannst. Auch jetzt, wo es gerade richtig gut läuft, mache ich mir keine großen Gedanken und sage Dinge ab, obwohl sie finanziell lukrativ wären. Ich könnte viel mehr verdienen, wenn ich alles mitnehmen würde.
Warum sagen Sie dann ab?
Ich muss für die Dinge stehen können. Wenn ich für ein Lebensmittel Werbung mache, muss ich bereit sein, dieses Lebensmittel immer wieder zu essen.
Alfons Schuhbeck hat Werbung für McDonald’s gemacht. Würden Sie ...
Ich kenne Alfons Schuhbeck zu wenig, aber wenn er selbst überzeugter Kunde ei McDonalds ist, ist das authentisch. Wenn er es nur der Kohle wegen gemacht hat, prostituiert er sich.
Gehen Sie zu McDonald’s?
Zuletzt vor drei Jahren mit meinem Sohn. In den letzten 15 Jahren war ich drei Mal dort Pommes essen.
Sie haben kürzlich auf Instagram ein Pommes gepostet. Auf dem ...
... Hintern meiner Frau?
Viele halten Sie für einen Provokateur. War das eine Kostprobe?
Gar nicht. Ich sehe ein Pommes, sehe den Hintern meiner Frau und lege es eben drauf. Und wenn sie damit einverstanden ist, veröffentliche ich das Bild. Es ist nicht so, dass ich morgens aufwache und mir vornehme: So heute provoziere ich! Ich sehe mich nicht als Provokateur, sondern als der, der ich bin.
Ursprünglich waren Sie ein Bub aus Oberbozen, der irgendwann beschlossen hat, Koch zu werden. War das Ihr Traumberuf?
Im Gegenteil. Ich fand Kochen unfassbar uncool, aber ich hatte keine andere Möglichkeit. Die Schule habe ich mit 14 geschmissen, weil sie mich nicht interessiert hat. Da habe ich halt Kochen gelernt. Was sollst du dort oben auch anderes machen? Entweder du wirst Tischler oder Koch, wissend, dass du immer einen Job kriegst. Das Talent für andere Dinge hat mir gefehlt. Ich wollte Eishockey-Profi werden, hatte aber zu wenig Talent. DJ war auch ein Traumberuf – und Bademeister.
Konnten Sie gut schwimmen?
Nein, nicht wirklich. Aber meine Eltern hatten Jahrzehnte ein öffentliches Schwimmbad und eine Diskothek, in der ich DJ war. Aber nie so gut, dass ich Geld damit verdienen konnte. Meine Eltern haben dann genervt. So habe ich ihnen den Gefallen getan und die Lehre zum Koch gemacht.
Und?
Am Anfang war es furchtbar. Während die Freunde am Wochenende am Pool oder am See gelegen sind, habe ich gearbeitet. Mich hat das Kochen genervt. Es war heiß, es war laut, immer nur Hektik, es war eigentlich ein Scheiß! Aber mein Gott, ich habe es durchgezogen.
Und sind später bei Eckart Witzigmann in München gelandet. Hat er die Liebe zum Kochen in Ihnen entfacht?
Indirekt war es sicher Eckart Witzigmann, aber letztlich waren es die frischen Lebensmittel – und der Zusammenhalt, den wir durch Witzigmann im Team hatten. Was ich zuerst verabscheut habe – dieser Druck 16 Stunden zu arbeiten – wurde fast wie eine Droge. Trotzdem hat es für mich auch noch ein anderes Leben gegeben. Viele Kollegen haben nach dem langen Arbeitstag in ihrem Kämmerlein noch Rezepte geschrieben. Ich bin ins P1 oder in die Wunderbar gegangen und habe lieber den Mädels auf den Hintern geschaut.
Haben Sie dort auch Ihre Frau kennengelernt?
Nein, in Salzburg, vor bald zehn Jahren.
Sie sind ständig unterwegs. Hält das eine Liebe überhaupt aus?
Ich bin zwar acht Monate im Jahr nicht zuhause, aber vier Monate bin ich zuhause. Die Wenigsten können sagen, dass sie wirklich vier Monate Zeit für die Familie haben. Es ist halt ein komplett anderes Timing. Ich sehe meine Familie einmal zwei Wochen nicht, dann zwei Wochen durchgehend. Da schaue ich strikt darauf, dass nichts reinkommt. Mein Management kommt gar nicht auf die Idee, mich in der Zeit zu fragen, ob ich etwas mache.
Und wenn die Queen Sie gerade da als Koch für ein Dinner anfragt?
Mache ich nicht. Da brauchen Sie gar nicht zu fragen. Wenn ich da nicht konsequent bin, arbeite ich das ganze Jahr durch. Es gibt immer etwas zu tun. Dann verbrenne ich und bin nicht mehr das, was ich sein möchte. Ich bin zum Glück durch Lebenserfahrung so weise geworden, dass ich gelernt habe, nein zu sagen.
Nein sagen ist nicht die leichteste Übung.
Auf zwei Mal Ja, sage ich 20 Mal Nein. Das ist wichtig. Alles andere ruiniert dich.
Herr Trettl, in der Sendung „First Dates“, die Sie auf VOX moderieren, müssen Ihre Gäste das Essen selbst bezahlen. Ist das nicht unhöflich?
Warum? Wir sind kein Set, sondern ein Restaurant. Ich bläue auch jedem Mitarbeiter ein, dass wir ein Restaurant sind. Jeder dieser hundert Leute muss daran glauben! Es gibt diese Fernsehdenke und -sprache, in der man von den „Kandidaten“ spricht. Das sind aber Gäste. Einen Gast behandelt man anders als einen Kandidaten und am Set verhält man sich anders als im Restaurant. Wenn auf einem Tisch ein Fleck ist, den man im Fernsehen nicht sieht, gehört er trotzdem weg. Das merkt man in der Show.
Wie lange machen Sie noch?
Wir drehen derzeit die zweite Staffel für „First Dates“. Da brauche ich in dem Jahr nicht mehr viel anderes tun, weil keine Zeit bleibt. Wir bauen auch gerade um, weil ich mit vielen Dingen im Restaurant noch nicht glücklich bin. Je wohler sich die Gäste fühlen, desto wohler werden sich die Zuschauer fühlen.
Ein Menü im Hangar-7, wo sie zehn Jahre Küchenchef waren, kostet 250 Euro. Warum sollte man für ein Essen so viel Geld ausgeben?
Weil die Produkte und der Aufwand diesen Preis wert sind. Wir geben doch für alles Geld aus. Wenn ein neues Handy kommt, kaufen wir es. Wir haben auch alle mehr als ein Paar Schuhe zuhause, obwohl wir nur eines brauchen würden, fahren alle ein gutes Auto und haben mehr als eine Sonnenbrille. Und dann fangen wir beim Essen an zu sparen? Verstehe ich nicht.
Haben Sie sich je als Künstler gesehen?
Nein, und ich glaube auch nicht, dass Kochen Kunst sein kann.
Warum nicht? Immerhin werden in der Spitzengastronomie einzigartige Kreationen geschaffen.
Für mich muss Kunst Zeit haben, zu wachsen. Ich muss etwas, das ich hier hängen oder stehen habe, ein Jahr anschauen können und dann das Gefühl haben, dass es mir jetzt noch besser gefällt. Das ist beim Essen unmöglich! Wenn wir ganz ehrlich sind: Es ist fast deprimierend, was mit gutem Essen passiert.
Sie haben einmal gesagt, Sie haben das Kochen sein lassen, weil Sie nicht damit klarkommen sind, was mit dem Essen nach einigen Stunden passiert. Ein Arzt könnte auch sagen: Ich rette niemanden mehr, weil am Ende eh alle sterben.
Schon, aber so zeitlos wie Essen ist sonst nix. Wenn der Arzt etwas Gutes macht, hat der Mensch doch noch mal 40, 50 Jahre zu leben. Aber das Essen wird morgen ausgeschieden. Ich verwende diese Aussage aber nur, wenn Köche sich zu wichtig nehmen. Das was du heute machst, landet morgen in der Toilette.
Herr Trettl, noch eine Frage zum Schluss. Warum haben Sie öffentlich gemacht, dass Sie sich sterilisieren haben lassen? Muss man so etwas Intimes mit der Öffentlichkeit teilen?
Für mich gibt es überhaupt keinen Grund, es nicht zu machen. Ich hatte damals ein witziges Gespräch mit Barbara Schöneberger für ihre Zeitschrift. Es ging um Midlife-Crisis und so sind wir halt auf das Thema gekommen. Ich bin da eben authentisch und ich glaube, dass das die Leute merken.
Das müssen Sie erklären.
Weil du offen bist, weil du über dich selber lachen kannst, weil du dir kein Blatt vor den Mund nimmst. Politik und Religion sind Themen, über die ich nicht sprechen will, aber darüber? In Wahrheit glaube ich, dass ich einige Männer damit beeinflussen konnte und Frauen geholfen habe. Warum soll eine Frau einen schweren Eingriff vornehmen lassen, wenn es beim Mann so einfach geht?
Viele Männer fühlen sich dadurch in ihrer Männlichkeit bedroht.
Wenn Männer das sagen, sage ich: Ihr wart nie Männer!
Vom Star-Koch zum TV-Star: Roland Trettl, 46, wurde 1971 in Bozen, Südtirol, geboren. Mit 14 Jahren verließ er die Schule und begann 1987 eine Koch-Lehre. Danach zog es ihn nach München, wo er im Restaurant „Aubergine“ von Jahrhundert-Koch Eckart Witzigmann und im Restaurant Tantris, einem der besten Restaurants der Welt, tätig war. Nach internationalen Stationen wie Mallorca oder Tokio, holte ihn Witzigmann nach Salzburg, wo Trettl 2003 begann, das Restaurant Hangar-7 aufzubauen und 2004 einen Michelin-Stern erkochte. 2013 gab er seinen Job auf und tauchte wenig später als Gast-Juror in der Sat1-Kochshow „The Taste“ erstmals im Fernsehen auf. Seit heuer moderiert er auf VOX seine eigene Show „First Dates“. Seine nächste Sendung „True Stories“, die er gemeinsam mit Comedian Michael Mittermeier präsentieren wird, ist derzeit in Planung. Trettl ist verheiratet und hat einen sechsjährigen Sohn.
"First Dates“ auf VOX wird von Montag bis Freitag um 18 Uhr ausgestrahlt.
www.roland-trettl.com