Leben

Garten Eden

Auf geht’s ins Land, wo vor Jahrmillionen alles begann. Schon der erste Satz in Tania Blixens Roman „Jenseits von Afrika“ hat eine sonderbare Sehnsucht geweckt: „Ich hatte eine Farm in Afrika am Fuße der Ngongberge …“ Und erst das Melodram „Out of Africa“: Der Film zum Buch mit Meryl Streep in der Hauptrolle stimuliert die wehmütige Lust auf Afrika. Bei Namanga überqueren wir die Grenze von Kenia zum Nachbarland Tansania. Als im Osten die Wolkendecke aufreißt, erheben sich über der Ebene die Eisgipfel des Kilimandscharo – ein fantastischer Anblick. Über Arusha, der Tropengartenstadt unter dem Mount Meru, rumpelt der Wagen hinauf auf das Mbulu-Plateau, links und rechts gesäumt von steinalten Baobab-Riesen und Feigenbäumen. Von oben schaut man hinunter auf Lake Manyara, auf den scheinbar endlosen Sodasee, der am Horizont mit der Savanne und dem Himmel verschwimmt. Aber all das ist nur das Vorspiel zum Naturerlebnis Ngorongoro Krater. In Serpentinen windet sich die Straße durch den Regen- und Nebelwald. Eine letzte Kurve, dann öffnet sich in mehr als 2.000 Metern Höhe plötzlich der grüne Vorhang zu einem Panorama von wilder Schönheit. Man steht am Rand einer gigantischen Erdschüssel, die ein ringförmiger, bis zu 700 Meter hoher Wall umschließt. 20 km sind es hinüber bis zur anderen Seite. Dazwischen 300 Kraterlandschaft, Steppe und Savanne. Nirgendwo sonst leben so viele Raubtiere in freier Natur in solch hoher Dichte beisammen. Wer noch keinen Löwen in Afrika gesehen hat: Hier wird er ihn mit Sicherheit entdecken. Schwärme von Störchen kreisen über Kuhantilopen und Gazellen, ein Elefantenbulle rubbelt seinen Hintern an einem Baumstamm, Warzenschweine trotten zwischen äsenden Gnus und pickenden Straußen, dahinter Tausende Flamingos im Magadi-See.

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John Wayne und Hardy Krüger in „Hatari!“

Bernhard Grzimek, der Tierschützer der Serengeti, dessen Urne hier neben seinem Sohn ruht, nannte den Krater das achte Weltwunder. Was in der Ferne als Grüppchen von Pünktchen auszumachen ist, entpuppt sich beim Blick durch das Fernglas als Herden von Gnus und Zebras. Die Nashörner, Elefanten und grunzenden Flusspferde – alle Geschöpfe wirken harmlos und friedlich. Selbst die Löwen benehmen sich wie kuschelige Haustiere, sie fläzen sich in den Schatten unseres Landrovers. Schon nach wenigen Minuten sind die Raubkatzen von einem Dutzend weiterer Fahrzeuge eingekreist. Zum Safari-Stau gehören die Aaahs und Ooohs des Staunens, das Videosurren und Kameraklicken. In der Hochsaison kurven täglich bis zu hundert Geländewagen in der Caldera herum, die Einheimischen nennen die Zufahrt einen Highway. Nach einer guten Fahrstunde über Geröll und schwarze Steine wird westlich des Kraters in der Olduvai-Schlucht ein Betonblock sichtbar, der verlassen in der Hitze steht. Hier hatten Louis Leakey und seine Frau Mary 1959 den Schädel des „Nussknackermenschen“ entdeckt und ein Jahr später die Reste des Homo habilis, der als Vertreter der ersten Stufe der menschlichen Evolution gilt. Hier wurde der Katalog der Menschheitsgeschichte fast vier Millionen Jahre zurückgeblättert. „Früher war die Schlucht ein großer See, der viele Lebewesen anzog“, sagt der Konservator des kleinen Museums von Olduvai und deutet hinunter auf die karge Landschaft, wo heute nur noch dürre Büsche und wilde Sisal-Agaven wachsen. Wenn Tiere starben, versanken ihre Gebeine im Schlamm und blieben so erhalten. Unter hartgepressten Schlammschichten, luftdicht verpackt, blieben fossile Spuren der Geschöpfe zurück, die an den einstigen Ufern gelebt hatten. Zwischen versteinerten Knochen vorgeschichtlicher Riesenbüffel, Paviane und Hyänen stießen die Forscher auf ein paar Zähne und Schädelteile, die nicht von Tieren stammen konnten. Es waren versteinerte Zeugnisse unserer frühesten Vorfahren. Konserviert in der Asche, die ein Vulkanausbruch über die Erde gebreitet hatte, fanden sich 3,6 Millionen Jahre alte Fußabdrücke, Dokumente von den Anfängen des aufrechten Ganges. „Wiege der Menschheit“ wird das Olduvai-Gebiet seit den Funden genannt.

Ein Aha-Erlebnis auf der Safari: Der Fremde muss viel lernen. Er muss erfahren, dass seine Ohren taub, seine Augen blind, seine Sinne stumpf geworden sind. Abdieli, der tansanische Ranger, lehrt die Touristen mit der Engelsgeduld, mit der man Kindern Bilder erklärt, Farben, Zeichen und Gerüche zu begreifen. Er zeigt uns den Termitenhügel, den wir für einen Stein, die Giraffenhälse, die wir für Äste hielten. Er zeigt uns, die wir entzückt eine Löwin beobachten, hinter uns das ganze Rudel, als wir vor lauter Löwin die Löwen nicht sehen. Doch schon nach wenigen Stunden im Nationalpark beginnen wir wacher, lebendiger, neugieriger zu sehen, lernen, die spitzen, kleinen Ohren eines Nilpferdes im glitzernden Wasser zu entdecken und Antilopen nicht nur als Grasrascheln wahrzunehmen.

Der Luxus der „Crater Lodge“, hochragenden Hütten mit Seegrasdächern, wird nur durch ihre Lage direkt am Rande des Kraters übertroffen. Im Stil von „Versailles plus Massai“ passt sie sich der dramatischen Schönheit der Umgebung mit den üppigen Wäldern an – mit bizarrem Afrobarock, Kristallleuchtern im rustikalen Ambiente und einer Mischung aus französischer Eleganz und afrikanischer Lässigkeit. Eine Bleibe mit Snob-Appeal, in der einem der Butler am Abend ein Bad mit Rosenblättern einlässt und einen um 5.30 Uhr mit Aufwachkaffee und Mangosaft für die Morgenpirsch fit macht.

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Naturschutzgebiet: Der Ngorongoro-Krater liegt im Norden Tansanias. Er grenzt nordwestlich an die Serengeti und im Norden an den Oldoinyo Lengai, den heiligen Berg der Massai. Beste Reisezeit: von Juni bis Oktober und von Dezember bis Februar (außerhalb der großen Regenzeit Ende März bis Anfang Mai).