Leben

Geisterfahrer

Ihr Leben ist ein einziger Kampf. Ein tägliches Ringen mit Polizisten, Pkw-Fahrern und Spediteuren. Ihre Bezugspunkte sind die Straße, die Raststätte, das Zuhause. Bevor sie nach Tausenden Kilometern quer durch Europa einen Tag daheim von ihrer Frau oder Freundin verwöhnt werden, liegt viel hinter ihnen.
Der triste Alltag der Lkw-Fahrer hat längst die Romantik des Gunter Gabriel-Songs Wenn ich nur ein Trucker wär verloren. Die Realität bedeutet Stau, Stress, Stunden voller Monotonie. Zermürbender Zeitdruck bestimmt das Leben der Asphalt-Cowboys. Autobahn-Raststätten sind ihre Heimat, die auf dem Gaskocher aufgewärmte Dosen-Suppe ist das Highlight des Tages. Die Sprüche am Heck der Mega-Trucks nerven so manchen Autofahrer, der während eines Elefanten-Rennens, bei dem ein Lkw den anderen überholt, lesen muss Überholen Sie ruhig, wir schneiden Sie raus, Ihre Feuerwehr! Oder Damen aufgepasst! Meiner ist 18 Meter lang! Halbwitzige Sprüche als Aufheiterung für die Trucker.
Ernster sind die Prognosen mancher Zukunftsforscher: In 20, 30 Jahren drohe uns der globale Verkehrsinfarkt. Damit dieses Szenario nicht stattfindet, arbeiten Automobilhersteller gemeinsam mit Verkehrsexperten daran, das Autofahren zu revolutionieren. Mit einer neuen Form des Reisens auf Autobahnen: Platooning, das automatisierte Kolonnenfahren im Lkw-Verkehr, soll nicht nur mehr Sicherheit und Lebensqualität für Trucker bringen, sondern auch bis zu 20 Prozent weniger Treibstoff verbrauchen.
Bereits in rund fünf Jahren sollen elektronisch gekoppelte Lastwagen – wie bei einem Güterzug – im Konvoi auf unseren Autobahnen unterwegs sein. Die Vision: Per WLAN sind mehrere Lkw miteinander verbunden, der Fünf-Meter-Abstand zwischen den Fahrzeugen ist automatisch geregelt. Im Führungsfahrzeug sitzt ein Berufsfahrer, der rund 80 km/h konstant hält. Während der Konvoi im Windschatten mit automatisch angepasster Geschwindigkeit seinem Ziel entgegensteuert, können sich die hinteren Fahrer entspannen und anderen Dingen widmen. Auf dem Volvo-Testgelände in der Nähe Göteborgs haben bereits erfolgreiche Versuche des von der EU finanzierten Projekts stattgefunden. Platooning, das automatisierte Kolonnenfahren, als eine sicherere und bequemere Zukunft im Lkw-Verkehr.
Die Innovation einer seriennahen Studie von Mercedes-Benz gibt einen weiteren Ausblick auf den Verkehr von morgen: Der FT-2025-Future Truck, der Fern-Lkw der Zukunft, ein voll vernetztes Schwarmwesen, das durch Satellitenortung und Datenaustausch mit anderen Fahrzeugen entspanntes Dahingleiten garantiert: Der autonom fahrende Vierzigtonner lenkt, bremst und beschleunigt präzise, rollt mittig auf der rechten Spur im fließenden Verkehr. Und bewältigt auch besondere Situationen souverän: Der Lkw schert automatisch nach links aus, um mit reichlichem Abstand ein Pannenfahrzeug zu passieren.
Doch das Zukunftsszenario für die Autobahnen von morgen ist alles andere als Routine. Gefahren wird der Lastwagen vom automatischen System Highway Pilot, der den Lastwagen wie ein ständig ausgeschlafener und völlig konzentrierter Fahrer steuert. Erst wenn der Lkw die Autobahn verlässt, greift der Fahrer wieder selbst zum Lenkrad. Der Mensch denkt, während die Maschine lenkt. Der Trucker sitzt zwar hinter dem Steuer, doch das Fahren ist Nebensache. Er lockert sich bei Fitness-Übungen oder ist über Videotelefon mit seinem Auftraggeber verbunden. Und plant mit dem im Cockpit integrierten Computer bereits die nächste Mega-Tour.
Oder die Asphalt-Cowboys von morgen entspannen sich. Mit dem Film Auf dem Highway ist die Hölle los.

michael.horowitz@kurier.at