Leben

Hubert Neuper über Intuition

Hubert, heute schon getanzt?

Hubert Neuper: Ich tanze noch nicht, aber seit ich mich Mitte November entschieden habe, bei „Dancing Stars“ mitzumachen, trainiere ich. Ich habe jetzt mal angefangen zu dehnen. Ich muss sagen, ich war körperlich ein richtiges Wrack.

Hast du dich nach deiner Karriere als Skispringer so gehen lassen?

Als Spitzensportler trainierst du nur, wenn du ein Ziel hast. Das habe ich bis zum Karriere-Ende getan. Aber zum Schluss habe ich trotz harten Trainings nichts mehr g’rissen. Das hat mich so frustriert, dass ich 25 Jahre nichts mehr getan habe, außer Golf zu spielen.

Kommt man schneller wieder in Form, wenn man früher einmal sehr fit war?

Ja. Es ist faszinierend zu sehen, wie viel der Körper sich von den früheren Abläufen gemerkt hat, auch die Zellen der Muskeln. Aber nach so einer langen inaktiven Zeit tut dir natürlich alles weh.

Trainierst du alleine oder hast du Unterstützung?

Im Bad Mitterndorf, wo ich herkomme, unterstützt mich der Herbert Krebs. ER ist 77 und war Weltmeister im Stemmen. Der hat gleich gesagt: „Das machst du.“ Für die Zeit, wo ich bei „Dancing Star“ mitmache, bin ich jetzt aber in Wien, wo ich auch eine Wohnung habe. Ich denke mir nämlich, wenn ich mitmache, dann g’scheit. Deshalb bleibe ich auch die ganze Zeit über hier. Und da habe ich den Stefan Thurnbichler, der Juniorenweltmeister im Skispringen war und mittlerweile die Ausbildung zum Personal-Trainer gemacht hat. Er stellt mir alle Übungen zusammen. Es hat sich ja alles geändert, seit ich mit dem Sport aufgehört habe.

Es hat eine Zeit gegeben, in der du dich bewusst aus der Öffentlichkeit zurückgezogen hast. Warum suchst du das Rampenlicht jetzt wieder?

Ich wurde vor sieben Jahren schon gefragt, ob ich bei „Dancing Stars“ mitmachen möchte. Damals war das undenkbar für mich. Ich habe damals durch mein Burn-out erkannt, dass ich diese Art der Selbstdarstellung nicht mehr will. Dann habe ich aber 2013 das Interview eines Ex-„Dancing Stars“ gehört. Er meinte, er wäre so fit und zufrieden. Da habe ich zu meiner Frau Claudia gesagt: „Das ist es!“ Seit zehn Jahren nehme ich mir vor, wieder Sport zu machen. Eine bessere Chance gibt es nicht.

War deine Familie mit deinem Entschluss gleich einverstanden?

Meine Tochter Nina nicht. Sie meinte: „Papa, du stehst für Leistung. Das ist nicht gut für dein Image.“ Aber ich habe gelernt, dass es das Schlimmste ist, wider die Intuition zu handeln. Es gibt immer Polarität. Die eine Hälfte sagt: „Es ist furchtbar, was er macht.“ Die andere Hälfte, meine Intuition, meint aber, es ist richtig. Und seit meinem Burn-out höre ich nur noch auf meine Intuition.

Hast du das vorher nicht getan?

Ich hatte aufgehört, meiner Intuition zu folgen. Es ging mir nur noch um Geld und Dinge, die egobezogen waren. Das war auch der Grund, warum ich zugrunde gegangen bin. Erst viel später wurde mir klar, dass die einzige und wahre Anerkennung, nach der du streben sollst, jene ist, die von dir selbst kommt.

Es gibt vermutlich kaum Menschen, die ganz ohne Anerkennung von außen auskommen. Erleuchtete vielleicht.

Es ist ja auch herrlich für das Ego, wenn Anerkennung von außen kommt. Man soll Liebe annehmen, weil man sie nur so verdoppeln kann. Aber es muss einem klar sein, dass sich die Leute wieder abwenden, wenn sie selbst Probleme haben. Jeder muss die Polarität des eigenen Lebens regeln. Meine Erkenntnis lautet: Jeder muss seinen eigenen Weg gehen. Meiner ist ganz klar der intuitive. So habe ich auch die Entscheidung für „Dancing Stars“ gefällt.

Hast du während deines Burn-outs auch hinterfragt, woher dein großer Wunsch nach Anerkennung kam?

Mit zehn Jahren bin ich ins Internat gekommen, was für mich wie eine Abschiebung war. Das ist kein Vorwurf an meine Eltern. Sie haben gesehen, dass ich gerne springe und die Schule hatte eben alle Voraussetzungen für das Training. Das Problem war mein furchtbares Heimweh, das ich mit mir selber regeln musste. Der vermeintliche Liebesentzug hat dann dazu geführt, dass ich über Jahrzehnte nach Anerkennung gesucht habe. Man hat mir auch ständig gesagt: „Das kannst du nicht.“ Da wollte ich es allen beweisen.

Was konntest du angeblich nicht?

Das hat beim Springen angefangen. Der Trainer meinte, ich wäre zu schlecht und zu dick. Und als ich nach der Sportkarriere Pilot werden wollte, war das Vorstellungsgespräch nach drei Minuten vorbei. Es hieß: „Du kannst kein Linienpilot werden, wenn du keine Matura hast.“ Da hat sich in mir Widerstand geregt.

Positiv gesehen hat dir das auch viele Erfolge eingebracht. Du warst erfolgreicher Springer, Pilot und bist noch immer erfolgreicher Sportmanager.

Zum Glück. Ich habe aber immer sehr viel lernen müssen. Kaum war ich ganz oben, hatte ich in der nächsten Sekunde schon wieder eine emotionale Watschen im G’sicht. Das ist halt mein Leben. Jammern ist sinnlos, weil das Leben nun einmal zwei Seiten hat. Es gibt inspirierende Momente und Pflichtübungen, die scheinbar so viel Einfluss auf dein Leben haben, dass du es kaum packst. Wenn ich heute an mein Burn-out zurückdenke, muss ich aber sagen: Was Besseres hätte mir nicht passieren können. Sich so mit seinem Leben auseinanderzusetzen und wieder zurückzufinden, ist ein Privileg. Als ich mitten drin gesteckt bin, wäre ich aber beinahe daran zugrunde gegangen.

Es gibt viele Menschen, denen der Weg aus dem Burn-out nicht gelingt. Warum ist dir die Rückkehr ins Leben gelungen?

Das Problem an der Aufarbeitung ist, dass du dich ständig im Selbstmitleid aufhängst. Man bleibt irgendwann in der Gefühlswelt des Selbstmitleids stecken und es ist fast unmöglich, etwas zu verändern. Die einzige Möglichkeit ist es, sich klar zu machen, dass es das perfekte Leben nicht gibt. Jeder hat schwierige Situationen, die er verarbeiten muss. Wer in der Krise steckt, muss sich fragen, ob das alles zu seinem Leben passt. Das spürt man, wenn man sensibel ist. Und dann muss man mit dem gleichen Anstand, mit dem man den Erfolg annimmt, auch die Durststrecke annehmen. Diese Denkweise neutralisiert die negativen Gedanken. Und plötzlich sagt man sich wieder: „Ja, ich schaffe das."

Diese Zeit war sicher auch für deine Familie nicht leicht.

Der wirkliche Star in meinem Leben ist ja meine Frau. Die Claudia ist eine reife Seele. Ich bewundere sie dafür, mit welcher Ruhe sie die schwere Zeit ertragen hat. Sie ist eine sehr starke Frau. Ich bin ja Waage im Sternzeichen. Mich muss man schon grundsätzlich erst einmal aushalten.

Wie sind Waagen denn? Als Hobby-Astrologin dachte ich immer, die wären ausgeglichen.

Ach woher. Waagen sind „Juhui“ und im nächsten Moment „Oje“. Die Claudia hat mit ihrer bescheidenen Art sehr viel dazu beigetragen, dass ich dorthin zurückkehren konnte, wo ich heute wieder bin.

Du hast immer als Visionär mit verrückten Ideen gegolten. Wie hast du es etwa geschafft, in den 1990ern mitten in New York ein Skispringen zu organisieren?

Eigentlich wollten wir Promotion für die Skiflugveranstaltung am Kulm machen und haben ein Skispringen am Heldenplatz in Wien gemacht. Da habe ich gespürt, dass die Energie zu fließen beginnt. Und in meiner Euphorie habe ich gesagt: Wenn wir das hier machen können, können wir es auch in New York machen.

Einfach war das bestimmt nicht.

Nein, die Veranstaltung war ja nach der ersten Euphorie eigentlich abgesagt. Der Central Park wollte eine Spende von einer Million Dollar und wir hatten überhaupt kein Geld. Aber wir waren eine ganze Mannschaft und haben eine Regel aufgestellt: Niemand darf Zeit darauf verschwenden, zu überlegen, wo der Haken bei der Sache ist. Dafür musste jeder seine Ideen einbringen und wir haben gemeinsam darüber nachgedacht, wie wir diese Ideen noch besser machen können. Dann haben wir Sponsoren gesucht.

Wer hat euch geholfen?

Die OMV hat den Treibstoff für die Flugzeuge gezahlt, die AUA hat die Sitzplätze zur Verfügung gestellt und mein Freund Didi Mateschitz, der gerade angefangen hat zu expandieren, hat mir die Startnummern abgekauft. Das Entscheidende ist, die Rationalität zu vergessen. Wenn etwas richtig ist, hast du Kraft und Energie. Das Universum schickt dir dann die Leute, die du brauchst, um etwas zu verwirklichen. Wie durch ein Wunder haben wir das Projekt Skispringen in New York innerhalb von zwei Monaten realisiert.

Irgendwo habe ich auch gelesen, dass du bei der Skiflug-WM am Kulm gerne als Erster über die bis dahin erneuerte Schanze fliegen würdest. Ist das so vielen Jahre nach Karriere-Ende möglich?

Ich bin jetzt 53 Jahre alt, es ist verrückt und nicht angedacht, aber natürlich ist es möglich. Schau, ich zeig dir was. (Hubert Neuper zeigt ein Video, in dem er aus dem Stand einen Salto rückwärts macht.) Alles ist möglich. Aber es wäre sinnlos.

Was meinst du damit?

Skifliegen birgt immer ein Risiko. Auch wenn es leicht aussieht und in Sachen Sicherheit von den

Verbänden und den Material-Entwicklern viel gemacht wurde, ist es trotzdem extrem gefährlich, siehe Thomas Morgenstern.

Nachdem Thomas Morgenstern nun zwei Mal knapp hintereinander schwer gestürzt ist, werden Stimmen laut, die meinen, es wäre keine gute Idee von ihm in Sotschi zu starten. Wie siehst du das?

Wir alle haben keine Ahnung, was der Morgenstern fühlt oder denkt. Wir nehmen erlerntes, vielleicht medizinisch fundiertes Wissen und ziehen aus allen Schubladen Argumente raus, was das für ein Schwachsinn ist.  Und es scheint, der Verstand hat recht. Aber wenn Thomas Morgenstern spürt, was für ihn richtig ist, wird alles, was wir dazu sagen, völlig irrelevant. Und ich kann dir sagen, dass er und sein Umfeld die Intuition haben, richtig zu entscheiden. Darum finde ich die Diskussion sinnlos.

Das klingt sehr weise, Hubert. Was hast du noch für Wünsche und Ziele?

Sehr banale. Ich wünsche mir die Energie, mit Dingen, die ich oder mein Verstand als schwierig einstufen, so umgehen zu können, dass sie bewältigbar sind. Und dass ich die wunderbaren Dinge, die uns ständig umgeben, wahrnehme. Dann ist das ein herrliches Leben.

www.hubertneuper.at