Leben

Sex in der Freizeit: Theatralik! Ekstase!

Oft frage ich mich, wie es Schauspielern so geht, wenn sie Sexszenen spielen müssen. Sehe ich leidenschaftliche Liebesmomente – jetzt auch auf HD, meine Damen und Herren – dann schau ich genau. Wo sind sie, die Indizien der Fälschung? Meist nirgendwo. Denn fast immer kommen die Frauen ekstatisch hingegossen daher. Der Lidstrich sitzt, die Haut ist samten, der Bauch flach, die Brüste ragen gen Norden und würden jeder Wasserwaage standhalten. Und der Süden aller Beteiligten? Der wird meist so raffiniert gefilmt, dass sich jeder alles dazudenken kann. Heißt: Keiner weiß genau, wie groß das gute Stück eines Darstellers ist, glaubt es aber zu wissen. Weil Kaliber wie ein Daniel Craig oder Sean Connery nie aus St. Mini Mundus kommen können.

Übrigens war es Julia Roberts, die ein für mich sehr schönes Wortbild erfunden hat, sie sagte: „Ich musste niemals vor der Kamera vorgeben, mit jemandem Sex zu haben, ich bin die Queen der Vorspiel-Überblende.“ Es ist vorstellbar, dass sich manche Frauen dabei denken: So eine Vorspiel-Überblende hätte ich auch gerne.

Überhaupt wäre es überlegenswert, wieder ein bisschen mehr Hollywood ins richtige Leben zu transponieren. Drama. Theatralik. Ekstase. Leidenschaft. Ich erinnere mich an eine Freundin, die ihre Jugend hauptsächlich vor dem Fernseher verbrachte. An sich war sie keine Diva, aber wurde zunehmend zu einer. Irgendwann übernachtete sie bei mir und duschte stundenlang. Um mit folgenden Worten aus dem Bad zu schreiten: „Und jetzt ein Schälchen Himbeeren, Darling.“ Das war mitten im Winter. Trotzdem wirkte sie in diesem kurzen Augenblick fast schon verrückt authentisch. Die Art, sich in eine Rolle hineinzusteigern, verlieh ihr außerdem die Fähigkeit, Sex besonders intensiv und stark zu erleben. Als gefühlte Diva zweifelt man keine Sekunde am Vorhandensein einer gefühlt sanften Haut, eines flachen Bauches, einer Ekstase, einer Intensität. Man ist Film. Und das finde ich allemal besser als Menschen, die während des Akts in eine Smartphone-App reintippen: „Ich hab jetzt Sex.“ (Ich glaub, sowas gibt’s – aber Fakt ist, dass immer mehr Menschen während des Schnackselns ins Handy schauen). Unlängst wurde ich Zeuge, wie eine Frau und ein Mann, die einander offenbar näher kennenlernen wollten, miteinander umgehen. Ihr Flirt bestand tatsächlich aus einer durch und durch männlichen Zipfelspielerei, in deren Rahmen es darum ging, wer das größere Firmenauto und die meisten Flugmeilen (Business-Class, what else?) hat. Nein, dann lieber Hollywood, ganz altmodisch. Eine Kostprobe, ja so muss das sein: Im Buch „Film Folk“ (aus dem Jahr 1918) steht eine Art Anleitung bzw. Formel für „Liebe auf den ersten Blick“: „Die Augen weiten, um Verwunderung anzudeuten; dann ein breites Lächeln, das Zufriedenheit anzeigt, gefolgt von hochgezogenen Brauen, die fragend wirken. Die nächste Wallung ist die sich hebende Brust, die anzeigt, dass das Herz bis in seine tiefsten Tiefen berührte wurde. Nun muss die Entschlossenheit, sie um jeden Preis zu erobern, gezeigt werden. Dies erreicht man durch ein Hochwerfen des Kopfs, ein Vorwärtsstoßen des Kinns und das Ballen der Fäuste.“

Hach.