Leben

sex IN DER FREIZEIT: Hüttenzauber anders

Was für ein Spätsommer! Je höher die Temperaturen, desto prickelnder die Wortschätze.

Aus der Schweiz stammt etwa die Idee der „Begegnungszone“ – in Frankreich charmanter „Zone rencontre“ – genannt. Obwohl mittlerweile eh schon alle Bürger Wiens wissen, worum es sich dabei handelt (falls nicht: Damit ist ein Straßenverkehrsbereich gemeint, in dem Fußgänger Vortritt vor Fahrzeugen haben – aktueller Anlass für den Begegnungszonen-Boom: die Mariahilfer Straße als Fußgängerzone), schafft der Wortwucher gute Gelegenheiten für schlüpfrige Konnotationen. Gnä’ Frau, wie wär’s: Sie, ich – heute Abend in der Begegnungszone? Ja, das klingt so schwül wie deppert.

Denn wie man’s auch dreht und wendet – dem Wort haftet was von Tischtelefon-Kaffeehausromantik, Petting & Séparée-Schwüle an, man assoziiert schattige Plätze und Damen in roten Lack-Overknees. Rot ist allerdings nur die Busspur, die für Zusammenstöße zwischen Fußvolk und fahrendem Volk sorgte. So war die Begegnungsordnung wohl nicht gemeint. Und die Frage, die sich anbietet: Wo jetzt findet die Verkehrsberuhigung wirklich statt? In der Begegnungszone der Mahü oder in jener namens Ehebett?

Womit wir indirekt schon wieder bei den Schweizern und beim Sommer-Unwort Nummer 2 gelandet wären: der – bitte jetzt langsam lesen – tata!, Ver-richtungsbox. Ja, stimmt: Wer das hört, denkt sofort an irgendwas mit Lulu oder so. Ich selbst habe das Wort spontan dem Zoobedarf zugeordnet. Bitteschön, ein Verrichtungsboxerl für Hamster Maxi oder Theobald, das Meerschweinchen. Andere denken noch größer und an ein Dixi-Klo, wo Menschen ihre Notdurft Outdoor indoor verrichten. Immerhin: Die Verrichtung ist ein Vorgang bei dem – laut Duden – etwas getan bzw. durchgeführt wird. Die Frage ist nur: was?

Im Falle der Schweizer Verrichtungsboxen – auch Sexbox, Puff-Box, Sex-Chalet oder Sex-Carport genannt – dreht sich alles um Verkehr. Genauer: um bezahlten Verkehr. Die Idee (erstmals in Utrecht umgesetzt, schließlich auch im deutschen Köln): die Verlegung des Straßenstrichs in die Randzonen von Großstädten. Wo auf kontrolliertem Gelände garagenartige Holz-Häuschen stehen, in die das Auto zum Zwecke zwischenmenschlicher Begegnung geparkt wird. Hüttenzauber für Notgeile, also. Diese Form der Auslagerung findet der geneigte Freier seit kurzem auch in Zürich – in Form eines „Prostitutionsparks“, der seit Mitte August offen für dies und das ist. Ziel der Zürcher Stadtväter war es, mit den Zuständen des Straßenstrichs am Sihlquai aufzuräumen, wo die Sexworkerinnen immer öfter von Randalierern begafft und belästigt wurden. Im Prostitutionspark hingegen soll alles wieder seine Ordnung haben – mit Drive-in-Rundkurs (man fährt mit dem Auto zu, schaut sich um, wählt eine Dame und fährt in eine der genannten Boxen).

Ich weiß zwar nicht, wie prickelnd es ist, sich zur Drive-in-Ekstase in eine Verrichtungsbox zurückzuziehen, aber Geschmäcker sind ja verschieden. Viel wesentlicher ist aber, wie es den Sexworkerinnen damit geht.

Wenn’s deren Sicherheit und Würde dient, dann gerne: nur her mit der Hüttengaudi.