Ursula Strauss über Rollenspiele
Von Barbara Reiter
freizeit: Uschi, die Schauspielerei gilt als Traumberuf. Was muss man denn mitbringen, um in dem Beruf so erfolgreich zu werden wie du?
Ursula Strauss: Man muss es wirklich wollen. Jeder, der den Beruf aus einer Halbleidenschaft anstrebt, hält das nervlich nicht durch. Die Branche ist aufreibend und kostet viel Energie. Ich habe meine Berufswahl aber noch nie bereut, auch in schwierigen Phasen nicht. Ich habe immer gewusst, dass es das wert ist. Auch, wenn es viele Situationen gibt, in denen man viel Schmäh braucht und auf sich aufpassen muss.
Was meinst du da konkret?
Der Druck ist groß, die Jobs sind rar und dann kommt noch die Außenwahrnehmung dazu. Es ist kein leichter, aber ein toller Weg. Man muss wach sein. Das gehört dazu und ist Teil des Berufsbildes.
Bei dir läuft es doch wie am Schnürchen. Im Juni drehst du gleich zwei Filme. Musst du dir überhaupt Sorgen machen?
Ich bin sehr dankbar dafür, dass ich im Moment gut zu tun habe. Das heißt aber nicht, dass das automatisch immer so weitergeht, besonders in unsicheren Zeiten wie diesen. Außerdem kenne ich auch die andere Seite und war auch schon in der Situation, nicht zu wissen, wie man seine Miete zahlen soll.
Du bist vor einem Monat 40 geworden ...
Mit dem Alter gehe ich ganz offen um das ist das Leben. Aber es ist wirklich interessant, dass in unserer Gesellschaft das Altersthema so wichtig ist, dass es bei jedem Interview zur Sprache kommt. Besonders, wenn man Schauspielerin ist. Es gibt doch in jedem Alter Geschichten, die es wert sind, erzählt zu werden.
Zum Beispiel?
Dass man sich mit 80 noch verlieben kann. Ein Freund von mir war weit über 70 als er seine große Liebe gefunden hat. Und jetzt haben sie geheiratet. Es ist doch alles möglich. Eigentlich ging es mir gar nicht so ums Alter, vielmehr um ein neues Lebensjahrzehnt.
Nimmst du das zum Anlass, Pläne zu schmieden oder donnerst du einfach rein und schaust, was passiert?
Ja, ich donnere einfach rein und schaue, was passiert. Ich weiß natürlich, dass gewisse Dinge ein Ablaufdatum haben. Aber ich war noch nie ein Vorausplaner. Ich geh eher chaotisch und blauäugig an die Dinge heran.
Dabei heißt es oft, dass Karriereplanung so wichtig ist.
Eine Planung am Reißbrett hätte bei mir niemals funktioniert. Dazu bin ich zu sehr Bauch- und Gefühlsmensch. Ich habe zum Glück von meiner Familie ein großes Urvertrauen mitgekriegt. Ich glaube, dass alles so ist, wie es sein soll und Sachen passieren, die passieren sollen. Das hat bisher super funktioniert.
Du wirst in fast jedem Interview gefragt, wie du Schauspielerin geworden bist.
Deshalb bin ich dir sehr dankbar, dass du es nicht tust. Ich hab’s schon so oft erzählt.
Wie ist das, wenn man Dinge immer und immer wieder erzählen muss?
Es macht jeder nur seine Arbeit, auch der Interviewer auf der anderen Seite. Deshalb begegne ich auch Standardfragen immer mit Respekt. Und interessanterweise kommen auf ein und dieselbe Frage manchmal andere Antworten. Man kommt immer wieder auf andere Sachen drauf. Aber eine Frage geht mir wirklich auf die Nerven.
Welche?
Wie viel von einer bestimmten Figur in mir steckt.
Wie viel Angelika Schnell steckt denn in dir? Entschuldige, der war aufgelegt.
Da kann man nur antworten: Alles und gleichzeitig nichts. Es ist natürlich immer viel von meiner Persönlichkeit in jede Rolle. Aber die sind mehr als unterschiedlich und ich spiele die jeweilige Figur, natürlich immer, wie ich sie spüre.
Aber du lernst von deinen Rollen immer etwas, hast du einmal gesagt.
Ja, von Angelika Schnell zum Beispiel habe ich gelernt, auch einmal Chefin zu sein. Vielleicht trägt das jede Frau in sich, aber man traut sich nicht, es zu leben. Uns ist ja ein Frauenbild anerzogen worden, bei dem es stark darum geht, zu wissen, welchen Platz man in der Gesellschaft hat. Das ist Teil unseres Systems und über Jahrtausende von Frauengeneration an Frauengeneration weitergegeben worden.
Und die Emanzipation?
Unsere Vorgängerinnen haben in den 1970er-Jahren schon viel erreicht. Jetzt ist das wieder ein bissl eingeschlafen und man denkt sich: Es ist eh schon alles gut und passiert. Das ist natürlich Quatsch! Abgesehen davon kann man jahrhundertelange Unterdrückung und Zweitmensch-Behandlung gar nicht innerhalb von einer Generation auflösen. Das geht oft einher damit, dass Frauen, die in verantwortungsvollen Positionen Härte an den Tag legen müssen, sofort von anderen Frauen als unsympathisch abgestempelt werden.
Ist dir das mit Angelika Schnell auch schon passiert?
Bei Angelika Schnell war es ganz oft so, dass nicht Männer, sondern Frauen gesagt haben: „Na, die ist so unsympathisch. Die keift dauernd. Wie die Männer behandelt.“ Komischerweise hat noch kein Mann mir gegenüber so reagiert. Alle, mit denen ich drüber gesprochen habe, fanden Angelika Schnell cool.
Wie erfährst du von solchen Reaktionen?
Das erzählen mir die Leute ganz offen. Ich treffe zum Beispiel jemanden, der mir dann unverblümt erzählt: „Ich mag Sie gerne, aber meine Frau sagt immer, sie san so g’schnappig. Das kann sie nicht leiden.“
Und wie nimmst du das auf? Da werden ja auch Ursula Strauss und Angelika Schnell vermischt.
Ich muss natürlich auch privat damit klar kommen, wenn jemand sagt: „Das taugt mir nicht oder die ist mir unsympathisch.“ Das gibt es auch. Das ist auch gut so, aber es kommt natürlich stark auf die momentane eigene Verfassung an, wie gut man das wegsteckt. Manchmal besser, manchmal schlechter. Aber das Wichtigste ist, zu merken, dass eine Rolle die Menschen beschäftigt, egal in welcher emotionalen Haltung.
Was hat man denn von den grantigen Reaktionen?
Es kommt eben nicht nur das Positive an. Wenn jemand meine Arbeit negativ beurteilt, weiß ich, dass ich ihn erreicht habe. Und es sagt auch etwas über mich aus, wie ich auf Kritik reagiere. Das ist so spannend an meinem Beruf. Es ist eine ständige Herausforderung im Umgang mit dem Gegenüber.
Wirst du oft auf der Straße angesprochen?
Ach, das interessiert doch dort, wo ich wohne, keinen Menschen.
Du stammst aus Pöchlarn ...
Aber mittlerweile lebe ich ja in Wien. Ich kann ganz normal einkaufen gehen und mit den Öffis fahren. Ich glaube, die Leute rechnen auch nicht mit mir und ich gehe auch ungeschminkt durch die Stadt. Und wenn es jemand checkt und geflüstert wird, passiert das sehr dezent.
Das glaube ich nicht, dass dich nie jemand anspricht.
Es kann schon einmal sein, dass jemand im ersten Bezirk sagt: „Grüß Gott, Frau Strauss.“ Und dann denke ich mir: „Jetzt bin ich wieder in Pöchlarn mit 3.000 Einwohnern. Dabei ist es der erste Bezirk. Aber das ist immer sehr freundlich und liebevoll. Insoferne empfinde ich es nicht als negativ.
Hättest du dir jemals gedacht, als Schauspielerin so erfolgreich zu sein, dass man dich beim Spaziergang durch die Stadt erkennt?
Überhaupt nicht. Wen man mit so einem Gedanken einen Beruf ergreift, ist das der falsche Ansatz. Man möchte nur spielen. Ich habe das dann aber wieder verworfen, weil ich mir dachte: „Wie soll das gehen?“ Ich habe es mir nicht zugetraut. Aber mit 17 war ich dann unglücklich in der Schule und habe gemerkt, dass ich eigentlich nicht Kindergärtnerin werden will.
Jetzt sind wir doch bei der Frage gelandet, wie du Schauspielerin geworden bist.
Ich hab’s mir auch grad gedacht.
Andererseits: Es gibt sicher auch noch viele Menschen, die es nicht wissen.
Stimmt. Bei uns in Pöchlarn gab es natürlich keine Theatergruppe und auch kein Ballett. Das kam alles erst später. Ich habe einfach alles ausgenützt, was ging, von Sketches bis zu Schatten- und Krippenspielen. Und dann kam der Moment, wo ich wusste, dass das für mich das Richtige ist.
Welcher Moment war das?
Als ich in Melk meine erste Theater-Rolle als „Lady Macbeth“ gespielt habe. Damals habe ich gerade maturiert und vom Publikum eine wahnsinnig tolle Reaktion bekommen.
Was hast du damals gefühlt?
Bestätigung für was zu kriegen, von dem man glaubt, dass es zu einem passt, ist überwältigend. Ich habe mich danach gleich an den sichersten Ort geflüchtet und am Klo geweint.