Leben

Fritz Karl über Lebensaufgaben

freizeit: Herr Karl, mögen Sie es, wenn man Ihnen Komplimente zu Ihrem Aussehen macht?

Fritz Karl: Warum nicht? Aber wie alles im Leben haben die Dinge immer zwei Seiten. Manchmal hat man Angst, dass einem das Aussehen für gewisse Rollen im Weg steht, dann auch wieder nicht. Ich versuche einfach, in Filmen mit meinem Aussehen zu spielen. In „Spur des Bösen“ mit Heino Ferch bin ich weder hübsch noch sympathisch oder charmant. Eher ein bissl grauslich. Es ist auch spannend, dagegen zu arbeiten. Aber dann bin ich gerne wieder charmant.

Demnächst können Sie Ihren Charme auf der Bühne des Akzent-Theaters ausleben, wo Sie in Begleitung eines österreichisch-ungarischen Musik-Ensembles Kurzgeschichten lesen werden. Sie sind sieben Jahre auf keiner Bühne gestanden. Haben Sie eine Aversion?

Gar nicht. Aber die meisten Angebote, die ich bekomme, interessieren mich nicht – von der Besetzung, den Rollen oder dem Zeitraum.

Nun kehren Sie zumindest für eine Lesung auf die Bühne zurück. Sie haben eine sehr schöne Stimme. Warum machen Sie so etwas nicht öfter?

Das hat den Grund, dass ich früher eine große Schreib- und Leseschwäche hatte. Zu Leseproben am Theater ging ich mit auswendig gelernten Texten, weil ich mir schwer tat, vom Blatt zu lesen. Mittlerweile habe ich das durch viel Übung und Training aber wegbekommen und sehe Lesungen als großes Vergnügen.

Immer mehr Schauspieler machen sich auch als Sprecher von Hörbüchern einen Namen. Ist das ein Metier für Sie?

Ich habe bisher erst eines gemacht. Vor ein oder zwei Jahren habe ich den Roman „Anna nicht vergessen“ von Arno Geiger gelesen. Das war für mich wie eine Therapie zur Überwindung meiner Ängste.

Es schadet wahrscheinlich auch nie, ein zweites Standbein zu haben, falls es mit dem Film nicht mehr läuft, oder?

Erst kürzlich habe ich mit Freunden gesprochen. Beim Film und Fernsehen ist man nur für die jeweilige Produktion angestellt. Wenn ich nicht arbeite, verdiene ich also kein Geld. Ich weiß nicht, ob ich nächstes Jahr noch Rollen bekomme. Das Einzige, was ich weiß, ist, dass ich meinen Körper und meine Stimme habe. Das ist mein Instrument. Aber Angst bleibt in dem Beruf immer.

Das klingt aus dem Mund eines der gefragtesten Schauspieler im deutschsprachigen Raum wie ein Witz.

Ich hatte immer Angst – zu scheitern, nicht zu genügen oder meine Familie nicht ernähren zu können. Aber all das ist auch ein Ansporn. Von diesem Beruf leben zu können, ist ein unglaublicher Gewinn – ein Sieg. Das können nur ganz wenige. Man muss sich breit aufstellen. Und man darf nie erwarten, dass man angerufen wird. Man muss selbst aktiv sein.

Sie haben doch sicher einen Agenten?

Ja, und der Mann wird pro Tag mindestens zwei Mal von mir angerufen. Ich bin nicht der Typ, der einen Agenten in Berlin sitzen hat und sich denkt, der wird schon machen und wenn er was hat, ruft er mich an. Dazu bin ich viel zu unruhig. Ich hake nach. Das muss er aushalten.

Wie ist es Ihnen eigentlich gelungen, in der Filmbranche Fuß zu fassen?

Das war gar nicht so leicht, weil ich mit 17 wegen unreifen Verhaltens aus dem Reinhardt-Seminar geflogen bin. Meine Eltern, die in Traunkirchen ein Gasthaus hatten, meinten: „Du hast ein halbes Jahr Zeit, dir Lehrer und Aufträge zu suchen. Wenn du es bis dahin nicht schaffst, arbeitest du im Betrieb mit.“ Ich war also von Anfang an gezwungen, aktiv zu werden.

Wie haben Sie schließlich Ihre erste Filmrolle ergattert?

Ich wusste, dass der Regisseur Dieter Berner Schauspieler für einen Film suchte. Deshalb hat er sich am Schlosstheater Schönbrunn den Jahrgang, aus dem ich rausgeflogen war, angeschaut. Ich habe mich erkundigt, wie er aussieht und bin hingegangen. Als er rauskam, habe ich gesagt: „Hallo, ich bin der Fritz Karl und habe gehört, dass Sie einen Film machen. Da möchte ich mitspielen.“ Er meinte dann, ich solle zum Casting kommen, was ich nicht konnte, weil ich im Reinhardt-Seminar Hausverbot hatte. Er hat mir aber ein Vorsprechen ermöglicht, und ich habe die Rolle bekommen.

Mittlerweile würde eine DVD-Edition all Ihrer Filme theoretisch eine Wohnzimmerwand füllen. Führen Sie eigentlich Buch über Ihre Projekte?

Nein, es ist auch schwierig, weil ich in Serien wie „Julia“ mitgespielt habe. Wenn man aber jede Folge als einzelnen Film mitzählt, werden es schon an die 200 Filme sein.

Vor kurzem hat mir Tobias Moretti erzählt, dass er gerade eine sehr intensive Dreh-Phase hat. Er meinte, er käme beim Promoten manchmal mit den Filmen durcheinander. Kennen Sie das?

Ja, aber seit ein, zwei Jahren schaffe ich es, nur noch ein Projekt nach dem anderen zu machen. Vor allem auch deshalb, weil es nicht anders geht. In „Käthe Kruse“, dem Film, den ich vergangenes Jahr gedreht habe, spiele ich zum Beispiel einen alten Mann. Da muss ich drei Stunden in der Maske sitzen und bin danach durch. Andere Rollen waren so komplex, dass sie viel Vorbereitung gebraucht haben. Und „Inspektor Jury“, den ich in Irland gespielt habe, hat Dauerwellen. Da konnte ich parallel nichts drehen.

Sind Sie eigentlich mit anderen Schauspielern, die auch gut im Geschäft sind, befreundet?

Sicher, aber nicht mit allen. Ich habe bei Männern nie ein großes Hickhack oder Eifersucht erlebt. Eher bei Frauen – die sind da gnadenlos. Aber sie haben es wegen dem Altersdruck auch schwerer, das muss man ehrlich sagen.

Und Christoph Waltz? Sie haben 2003 mit ihm im Wilderer-Drama „Jennerwein“ gespielt. Können Sie den noch anrufen und sagen: „Servus, wie geht’s dir?“

Ja, ich habe seine Nummer und habe ihm auch zu den Oscars gratuliert, weil ich mich wahnsinnig für ihn gefreut habe. Er hat es so schwer gehabt hier, weil er ein ganz spezieller Typ ist. Außerdem hat Christoph immer Wert auf Qualität gelegt und bestimmte Dinge nicht gemacht.

Denken Sie sich nicht manchmal: ‚Vor zehn Jahren waren wir auf demselben Level. Eigentlich könnte ich genau so gut in Hollywood erfolgreich sein.‘

Nein, so denke ich nicht. Ich weiß ja wie die Mechanismen funktionieren. Grundsätzlich kochen alle mit Wasser, egal, ob englische, amerikanische oder italienische Schauspieler. Jeder hat seine Technik, aber keiner ist ein Wunderwuzzi mit Zaubertrank – oder hat eine so unglaubliche Begabung, dass man sagt: „Schau dir den um Himmels Willen an.“ Der Beruf ist größtenteils Handwerk, sowohl vor der Kamera als auch auf der Bühne. Um so eine Karriere wie Christoph zu machen, muss man im richtigen Moment am richtigen Ort sein und die richtige Rolle angeboten bekommen. Aber die Möglichkeit besteht doch. Möglich ist alles, aber man kann so eine Karriere einfach nicht planen. Viele Kollegen sind nach Amerika gegangen, um dort Filme zu machen. Davon leben kann eine Handvoll, der Rest kommt ganz schnell zurück. Ich habe in New York gedreht. Da gibt es mehr Schauspieler als Einwohner hat man das Gefühl. Ich war dort in keinem Lokal, wo es nicht mindestens zwei Schauspieler gab, die kellneriert haben, um zu überleben.

- Fritz Karl

Ist Ihnen da nicht angst und bange geworden, als einer Ihrer Söhne beschloss, Schauspieler zu werden?

Absolut, aber Aaron, mein Zweitältester, hat nicht auf mich gehört. Ich weiß ja, wie hart das ist, und es wird immer härter.

Sie haben fünf Kinder, das sechste kommt im März zur Welt. Als Sie sich zum ersten Mal für ein Kind entschieden haben waren sie 19 Jahre alt. War das nicht sehr mutig?

Natürlich ist es ein Unterschied, ob du mit 19 oder 32 zum ersten Mal Vater wirst. Es ist doch so: Du triffst eine Entscheidung und springst hinein. Du kannst doch gar nicht wissen, was dich erwartet in diesem Alter und beim ersten Kind. Eigentlich bei keinem Kind. Du weißt nicht, was das für ein Mensch wird. Es ist Mut, Risiko, das Bekenntnis zu einer Frau und auch ein Bekenntnis zum Leben.

Aber dass sich jemand sechs Mal dazu entschließt, ist in Zeiten wie diesen schon eine Besonderheit.

Es gibt Sachen, die du nur mit Kindern erlebst. Jetzt war ich mit, Gustav, meinem Kleinen, Skifahren. Es war so schön, wie er Schuss fährt. Ich mag Familie. Das gibt mir Kraft. Ich mag meine großen Kinder, meine Eltern, die Geschwister und die Tanten, Onkel und Großeltern. Wenn alle zusammensitzen, kann das unglaublich anstrengend sein, aber auch toll. Genauso ist es mit Kindern. Wenn im März das sechste Kind zur Welt kommt, hoffe ich, dass es gesund ist und ich ihm eine gute Ausbildung und Erziehung bieten kann. Wenn man sich rational überlegt, was für eine Verantwortung ein Kind ist und welche Belastung es für eine Beziehung bedeutet, würde man, glaube ich, kein Kind bekommen.

Ist nach dem sechsten Kind die Familienplanung abgeschlossen?

You never know. Da möchte ich mich wirklich nicht festlegen.

Der Kolumnist Harald Martenstein hat einmal errechnet, dass ein Kind bis zur Selbstständigkeit 120.000 Euro kostet.

Ich glaube, das ist zu wenig. Ich habe gehört, dass die Kosten für ein Kind in etwa ein Einfamilienhaus ausmachen.

Ihr Sohn Aaron hat auf seiner Agentur-Seite angegeben, dass er Akkordeon, Klavier und Gitarre spielt. Das klingt schon sehr teuer.

Wenn es so viele Geschwister gibt, wird nicht nur gekauft. Da wird sehr viel geleast, geliehen und getauscht. So haben wir das auch mit den Instrumenten gemacht. Es ist ja nicht so, dass ich nur in der Tretmühle sein und für die Kinder arbeiten will. Aber mit dem Kopf darf man da nicht rangehen. Kinder sind eine emotionale Entscheidung.

Sie haben vor kurzem in einer deutschen Radio-Talkshow gesagt, dass der beste Schutz, um nicht heiraten zu müssen, „mit der Ex verheiratet zu bleiben“ ist.

Das ist an sich richtig, oder? Der beste Schutz vor der Ehe ist es, in einer Ehe zu sein. Mir hat einmal ein Kollege gesagt, dass der, der nochmals heiratet, die Scheidung nicht verdient hätte. Das fand ich sehr lustig. Wir spaßen jetzt über diese Dinge, aber es ist relativ schwierig, klar. Wie war jetzt Ihre Frage?

Ich wollte verifizieren, ob Sie noch mit der Mutter Ihrer drei älteren Kinder verheiratet sind.

Wir haben uns in unserer Patchwork-Familie so eingerichtet, dass es, so wie es ist, für jeden in Ordnung ist. Das denke ich zumindest aus meiner Sicht.

Sie bleiben also verheiratet, obwohl Sie mit Ihrer Partnerin Elena Uhlig im März das dritte Kind bekommen?

Wenn sich der Status ändert, sind Sie die Erste, die es erfährt.

Okay, das klingt gut. Lassen Sie uns noch kurz ins Salzkammergut reisen, wo Sie aufgewachsen sind und nun Ihren Wohnsitz haben. Wie schaffen Sie den Spagat zwischen der Glamour-Welt des Films und der Ruhe im Salzkammergut?

Na ja, ruhig ist es mit so vielen Kindern nie. Ich würde es so sehen: Am Set habe ich einen Sessel, wo mein Name drauf steht und den mir jemand unter den Arsch schiebt. Wenn ich Kaffee möchte, bringt ihn mir wer. Will ich eine Zigarette rauchen, gibt mir jemand Feuer. Und ich werde zuhause abgeholt, damit ich am Set, wenn es heißt „Und bitte!“ mein Bestes geben kann. Jeder bemüht sich. Das Salzkammergut erdet mich. Es ist ein Rückzugsort, um die Batterien aufzufüllen und den Kontakt zu den Menschen nicht zu verlieren. Da weiß ich dann: Moment, das ist das Leben mit all seinen Freuden und Sorgen!

Sie sehen es also als Ausgleich?

Nein, nicht als Ausgleich. Viel mehr ist es mir als Energie- und Kraftquelle unerlässlich. Die Stadt ist mir mit zunehmendem Alter auch zu schnell geworden. Da ist das Salzkammergut ein hervorragender Schutz. Man muss nicht auf jede Premiere und jede Party, die irgendwo stattfindet. Man kann einfach sagen: „Ich würde ja gerne, aber ich bin am Land.“

Info: Am 28. Jänner liest Fritz Karl im Wiener Theater Akzent aus: „Kleine Lügen. Die besten Storys aus: Du hörst mir ja doch nie zu ...“ Musikalisch begleitet wird er von Tango de Salón. Karten unter: 01/501 65-3306 oder www.akzent.at

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Fritz Karl, 47, wurde 1967 in Gmunden geboren. Als seine Lehrerin bemerkte, dass er eine schöne Stimme hat, sang Karl bei den Wiener Sängerknaben vor und wurde aufgenommen. Mit 16 Jahren wechselte er ans Max Reinhardt Seminar, aus dem er aber nach zwei Semestern wegen unreifen Verhaltens verwiesen wurde. Trotzdem setzte er sich als Schauspieler durch und wurde an Theaterbühnen engagiert. Seine erste Filmrolle erhielt er 1988 in „Arbeitersaga – Die Verlockung“. Im Wilderer-Drama „Jennerwein“ spielte er 2003 an gemeinsam mit Christoph Waltz. Karl ist mit Christine, der Mutter seiner drei älteren Kinder verheiratet. Seit 2006 lebt er mit Schauspiel-Kollegin Elena Uhlig zusammen, mit der er zwei Kinder hat. Im März erwartet das Paar das dritte Kind. Karl ist dann sechsfacher Vater.