Leben

"Wer bin ich, wo will ich hin?"

Anna, vier Jahre – das ist doch ungewöhnlich, gerade bei jungen Künstlern, die erst eine CD veröffentlicht haben. Es kann sogar gefährlich sein, weil die Öffentlichkeit schnell vergisst, und man dann praktisch wieder bei Null anfangen muss. Warum hat es so lange gedauert?

Anna F.: Ja, das ist mir klar. Aber es ging nicht anders, ich war einfach noch nicht so weit.

Du hattest eine goldene Schallplatte, einige Amadeus Awards – wo war das Problem?

Das ging alles sehr schnell, stimmt. Vielleicht zu schnell… Jedenfalls kam dann die Situation, in der ich mich mehr zu hinterfragen begann. Ich war auf der Suche – nach meinem Sound, nach den richtigen Songs. Ich hab in der Zeit ja Material für einige CDs geschrieben. Aber wo will man hin? Und mit wem? Ich war ja auch lange bei keiner großen Plattenfirma, die einerseits Druck gemacht hätte, aber natürlich auch Zweifel beseitigt und dir halt einen routinierten Producer zur Seite stellt…

Du bist dann aber doch recht früh bei einem ganz großen gelandet: Rick Knowles, Produzent von Lana Del Rey und Lykke Li.

Ja, der hatte sehr früh Interesse, das war kurz nachdem ich mit Lenny (Anm.: Lenny Kravitz) auf Tour war. Wir haben 2011 in L.A. ein komplettes Album aufgenommen. Das ich dann bis auf einen Song wieder verworfen hab…

Wieso?

Die Songs waren nicht schlecht, das darf man jetzt nicht falsch verstehen. Ich find sie auch heute noch gut – aber es waren einfach nicht „meine“. Das hat vielleicht auch mit den ganzen Produktionsmechanismen dort zu tun. Es war eine tolle Erfahrung, das mal kennenzulernen und mit so einem Mann zu arbeiten…

Aber?

Aber ganz ehrlich gesagt, kam ich mir in den Studios von Rick ein wenig vor wie beim Zahnarzt.

Wie, eine schmerzvolle Erahrung?

Neiiiin – ich meine den ganzen Ablauf. Der kühle Empfangsraum, die Assistentin hinter ihrem Schreibtisch, die deine Personalien aufnimmt und dann „etwas Geduld bitte“ sagt. Dann sitzt du im Wartezimmer, bist nervös, denkst. „gut, wenn er kommt, werden wir einen Kaffee trinken und über das Projekt reden“, überlegst, was du ihm genau sagen willst, was dir wichtig ist, woran dein Herz hängt – dann kommt er und sagt: „Los, ich hab viel zu tun!“ Und ohne, dass dir wirklich bewusst ist, wie du dorthin gekommen bist, sitzt du dann in einem Aufnahmestudio, Mr. Knowles geht ans Klavier, spielt einen Akkord und sagt: „Sing!“

Hättest du jetzt „Mund auf!“ gesagt, hätte ich dir auch geglaubt.

Siehst du? Und so war das. Und genau wie die Zahnärzte arbeitet er in zwei bis drei Räumen gleichzeitig und huscht immer hin und her. Im Studio nebenan hat er gerade mit Nelly Furtado aufgenommen…

Du hast dann noch mit July Frost (Rihanna) und Jimmy Harry (Madonna, Pink, Kylie Minogue) gearbeitet.

Ja, aber auch davon hab ich kaum was behalten. Einen Song mit Jimmy und ein paar Texte, die ich mit ihm geschrieben habe…

Das erinnert mich jetzt fast an Lorde, die angeblich zehn Producer verbraucht hat, bevor es schließlich geklappt hat.

Ja? Das wusste ich gar nicht. Verbraucht klingt auch sehr schlimm. Es ist einfach so, dass die Chemie hundertprozentig stimmen muss. Auch wenn du dir nach einiger Zeit selber denkst: „Das kann doch nicht sein, das sind doch tolle Leute, mit denen du arbeitest und die Songs sind doch eh gut…“ Ich glaub, da sollte man einfach keine Kompromisse machen, dazu ist Musik etwas zu Persönliches.

Und irgendwann hat’s ja dann doch geklappt. Zufall?

Ja, Philipp Steinke hab ich kennengelernt als ich nach Berlin gezogen bin. Er lebt ja dort und ist der Produzent von „Boy“. Da hat’s einfach gepasst – auch wenn er nicht sooo bekannt ist.

Dafür ist mit Ex-EMF-Chef Ian Dench eine echte Legende mit an Bord. Wie bist du zu ihm gekommen?

Ach, das war wirklich überhaupt nicht geplant. Ich spielte einen Überraschungsgig bei einer Hochzeit, Ameerah, kennst du die?

Die Sängerin?

Ja.

Nein.

Egal, jedenfalls war dort eine Frau zu Gast, der die Show besonders gut gefallen hat, und die hat gemeint, ich sollte doch ihren Nachbarn in London anrufen, der macht auch Musik und wäre sicher begeistert –

Und das war dann „Mr. Unbelievable“ Ian Dench?

Ja.

Unglaublich.

Schon, oder? Alles Zufall irgendwie…

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So wie die Situation, als du Angelina Jolie auf die Schulter geklopft hast?

Ja, das war doch ziemlich aufregend. Ich war auf ihre Berlinale-Party eingeladen und Hans Weingartner, der Regisseur, ist ja ein alter Freund und der war auch dort mit einem Script, das er ihr unbedingt zeigen wollte. Und als er sich dann nicht traute, bin ich eben hin und tippe ihr auf die Schulter und sag „Hello, darf ich dir einen Freund vorstellen…“ – und daraus hat sich dann ein wirklich interessantes Gespräch entwickelt. Tolle Frau, sehr intelligent UND witzig …

Du hast ja in der Zwischenzeit selbst auch die Hauptrolle in einem preisgekrönten Film gespielt: „Invasion“, von Dito Tsintsadze.

Ja, eine zwielichtige junge Frau, die Böses im Schilde führt… Oder vielleicht auch nicht. Ich bin ja ein eher offener Mensch – umso interessanter war es, einen derart undurchschaubaren Charakter zu spielen. Vor allem mit einem Regisseur wie Dito – und an der Seite von Burghart Klausner (Anm.: Hauptrolle u.a. in „Das weiße Band“).

Wird es von dir demnächst mehr im Kino zu sehen geben?

Es gibt Gespräche, die betreffen sowohl einen österreichischen als auch einen deutschen Film. Aber fix ist nix, deshalb kann ich dazu leider noch nichts sagen.

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Zurück zur Musik. Deine CD erscheint am 28. Februar, danach gehst du mit James Blunt auf große Tour. Davor, also am 1. März, gibt’s für deine Wiener Fans einen exklusiven Album-Release-Gig im Chaya Fuera.

Ja, auf den Auftritt freu ich mich schon ganz besonders. Aber natürlich auch auf die Tour mit James Blunt. Wir sind einen ganzen Monat unterwegs, spielen 17 Shows!

Wobei es für dich ja nicht ganz neu ist, mit Superstars zu touren. Deine erste Europa-Tournee hast du mit Lenny Kravitz gemacht, der dich quasi selbst entdeckt hat, nachdem er dich live gehört hat.

Stimmt. Echt ein Zufall, dass du das jetzt ansprichst, er hat mir grad eine SMS geschickt.

Ich versuch grad, mir Lenny Kravitz beim SMSn vorzustellen… Egal, was schreibt er?

Ach, eh nichts Aufregendes. „Ich mag deine neuen Songs, coole Videos – lass uns wieder mal was zusammen machen“, und so. Er muss die Songs selbst auf Youtube gefunden haben oder sonst wo im Netz, weil ich ihm gar kein Album geschickt hab…

Und, machst du was mit ihm?

Weiß nicht – wenn ich Zeit hab, vielleicht.

Hoffentlich – deine Fans würden sich sicher freuen. Anderer Punkt: Ich wusste gar nicht, dass du Michael Jackson-Fan bist.

Michael Jackson? Wieso?

Oh, ich dachte „King In The Mirror“ – „Man In The Mirror“?

Ach so, nein, toller Song allerdings. Hat aber nichts mit dem Titel meiner CD zu tun.

Dann klär mich auf.

Ich hab mit Ian Dench in New York aufgenommen. Er hat dann gemeint, wir sollen in Madrid weitermachen. Dort ist er mit mir auch ins Museo del Prado, er hat ja in Oxford Kunst studiert. Und da standen wir stundenlang vor dem Velazquez, auf dem du das spanische Königspaar nur im Spiegel siehst. Ian und ich haben uns dann immer wieder darüber unterhalten, Reflexion, Selbstreflexion – Selbstbild/Fremdbild, wie will man gesehen werden, wie sieht man sich selbst… Daraus ist dann der Song entstanden „King In The Mirror – Queen Of The Shy“...

Filmaufnahmen, Fototermine, Interviews, Arbeit und Partys mit internationalen Superstars - was siehst du eigentlich am Abend eines solchen Tages, wenn du dich in den Spiegel schaust?

Wieviel zeige ich tagsüber her? Wenn ich allein bin, seh ich jedenfalls das, was übrig bleibt: die Anna Wappel.

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