Leben

Menü aus dem Labor

2,2 Millionen Portionen Pasta. Von 120 italienischen Spitzenköchen bis Ende Oktober zubereitet. In der größten Trattoria, die sich menschlicher Geist und Bauch vorstellen kann. In den Hallen der Weltausstellung EXPO 2015 in Mailand, die dem Thema Ernährung der Zukunft gewidmet ist.
Wie wird sich das lustvolle Thema Essen, die Verführung und die Verlockung einer köstlichen Mahlzeit, in den nächsten Jahren verändern? Spaghetti werden auf Knopfdruck entstehen: Der italienische Nudelhersteller Barilla entwickelt bereits einen 3D-Drucker für Pasta. In spätestens fünf Jahren werden Teigpatronen an Restaurants geliefert, die dann individuelle Pasta für ihre Gäste produzieren können. Wenn jemand mit seiner Geliebten Geburtstag feiert, bestellt er Pasta in Form eines Rosenbuketts – bei der Hochzeit gibt es dann eine Cannelloni-Kutsche. Jede Form ist möglich, der Gast kann auch seinen zu Hause gestalteten Entwurf auf USB-Stick mitbringen.
Aber Essen ist nicht nur lustig und lustvoll. Bis 2050 steigt die Weltbevölkerung auf neun bis zehn Milliarden an. Doppelt so viele Nutztiere müssten dann die Menschheit ernähren – die landwirtschaftlichen Anbauflächen werden aber nicht größer. Und schon heute ist Hunger für 900 Millionen Menschen weltweit quälende Realität. Kann das Essen der Zukunft alle satt machen? Niemand weiß das, doch Lebensmittelkonzerne und Biotech-Start-ups suchen längst nach Lösungen. Nahrungsmittel werden industriell produziert und zu Hightech-Produkten. Eier, Gemüse und Fleisch kommen aus dem Labor, eine Schreckensvision, durch die aber der Hunger besiegt werden kann. Ein veganer US-Jungunternehmer, der sich am Rande des Silicon Valley niedergelassen hat, will das Huhn, das eingepfercht in einem winzigen Käfig hockt und ein Ei nach dem anderen aus dem Leib presst, ersetzen. Durch ein Protein aus der kanadischen gelben Erbse. Josh Tetrick produziert bereits heute Just Mayo, eine eierlose Mayonnaise, einen Pflanzenersatz ohne Cholesterin, der nur halb so viel wie das Ei aus der Legebatterie kostet. McDonald’s ersetzt in Südkorea schon die Eier in Sandwiches durch die Kunst-Eier aus Kalifornien. Und mit anderen Fast-Food-Ketten wie Burger King und Subway wird bereits verhandelt…

In den nächsten zehn, 15 Jahren steht jedenfalls ein gewaltiger Umbruch in der Ernährung bevor. Alternative Eiweißquellen wie Insekten sollen vor allem in Asien, wo Heuschrecken schon heute ein beliebter Snack sind, in Zukunft den Hunger stillen. Bei uns werden Maden & Co vermutlich weiterhin nur in Ekel-Dschungel-TV-Shows verspeist. Doch so mancher europäische Ernährungsexperte prophezeit Insekten-Burger und Kekse aus Grillen auch für Europa und die USA.
Köche, die neue Gerichte kreieren, werden in Zukunft immer mehr durch Computerprogramme ersetzt. Diese suchen dann in Hunderttausenden Pflanzenarten nach Proteinen und Enzymen – aus denen völlig neue Lebensmittel entstehen, um das Ernährungsproblem der nächsten Jahrzehnte in den Griff zu bekommen. Mehr als 30 Millionen Dollar haben Bill Gates und Yahoo-Gründer Jerry Yang in den vergangenen Jahren allein in Josh Tetricks Ersatz-Eier-Idee gesteckt. Nicht nur aus reiner Menschlichkeit, das Geschäft mit der Zukunft des Essens ist höchst lukrativ: In den vergangenen drei Jahren wurden fast hundert neue Investmentfonds aufgelegt, die die alternative Herstellung und Verarbeitung von neuen Lebensmitteln finanzieren.
Die romantischen Eindrücke von der Kuh auf der grünen Alm weichen vermutlich irgendwann dem realitätsnäheren Bild von Essen aus dem 3D-Drucker, Fleisch, das im Reagenzglas heranwächst und High-Tech-Produkten auf dem Teller. Oder wir ernähren uns wie Astronauten ausschließlich von zwei, drei Pillen pro Tag. Denn anhand unserer DNA wissen wir genau, welchen Ernährungscocktail unser Körper braucht.
Mahlzeit.


michael.horowitz@kurier.at