Leben

Roger Cicero über Liebe

freizeit: Herr Cicero, Sie spielen im Oktober in Wien. Was machen Sie denn jetzt schon hier?

Roger Cicero: Gute Frage eigentlich. Um euch daran zu erinnern: Nehmt euch am 22. Oktober nichts anderes vor! Und mein jüngstes Album „Was immer auch kommt“ will ich euch natürlich auch ans Herz legen.

Jeder Künstler behauptet bei seinen Konzerten, dass er die Stadt, in der er gerade spielt, besonders mag. Ganz ehrlich: Wie ist das mit Ihnen und Wien?
Das klingt jetzt wie eine Plattitüde, aber ich liebe es wirklich, in Wien Konzerte zu geben. Das Publikum hier hat mich von Anfang an aufgenommen wie einen verloren gegangenen Sohn, der zurückgekehrt ist – vom ersten Konzert an.

Können Sie sich daran noch erinnern?
Wir haben damals in der Stadthalle gespielt – in der Halle F, die aussieht wie ein großes Kino. Die ganze Crew hat gesagt: „Jetzt wartet mal ab, ihr müsst euch den Applaus erst verdienen.“ Aber die Leute sind schon ausgeflippt, als wir auf die Bühne gekommen sind. Deshalb freue ich mich schon jetzt auf die Tour und das Konzert im Oktober.

Ihr neues Album ist sehr persönlich. So persönliche Fragen kann ein wohlerzogener Journalist gar nicht stellen. Deshalb wollte ich Sie bitten, ausgewählte Textpassagen zu kommentieren.
Oh, da bin ich mal gespannt, welche Passagen Sie ausgewählt haben.

Im Lied „Was immer auch kommt“ heißt es: „Bin für mich selber nur noch Rohmaterial. Ich bau mich um und lebe nochmal“. Was musste denn bei Ihnen umgebaut werden?
Im Idealfall ist der Mensch sozusagen eine Baustelle, die nie fertig wird. Ich blei,be also immer dran, versuche mich weiterzuentwickeln und schaue, wo ich noch an mir feilen kann. Nicht nur künstlerisch, sondern auch menschlich.

Und? Wo hakt’s?
Meinen Perfektionismus würde ich gerne in ruhigere Gefilde bringen. Hinterfragen finde ich wichtig, aber man kann’s auch übertreiben. Und das tue ich gelegentlich.

Jetzt kommt was Trauriges. Im Lied „Straße“ kommt die Textzeile „Nach dem ersten ,Ich liebe dich’ sind die Tage gezählt“ vor. Muss das immer so sein?
Sagen wir so: Bisher habe ich es noch nicht anders kennengelernt, wenn ich jetzt so zurückblicke. Denn alle Beziehungen, die ich bisher hatte, sind beendet.

Die Trennung von Ihrer Lebensgefährtin, ist 2013 durch alle Medien gegangen. Sie waren sieben Jahre zusammen und haben gemeinsam einen Sohn. Ich habe allerdings auch gelesen, dass Sie schon wieder vergeben sind.
Ja, das stimmt. Mal gucken.

Haben Sie schon „Ich liebe dich“ gesagt?
Ja, doch, natürlich.

Haben Sie keine Angst, dass die Tage dadurch gezählt sind?
Ich habe es bislang nur so erlebt, aber es kann ja dieses Mal anders sein. Dass eine Beziehung gut funktioniert, hat immer mit viel Arbeit zu tun. Man muss viel investieren, dann kann es auch sehr schön sein.

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Sie singen ja auch von Ihrem „ersten Flickenteppich-Rendezvous“. Das klingt nach Patchwork. Wie stehen Sie dazu?
Ich muss es zwar noch nicht leben, aber es kommt in großen Schritten auf mich zu. Ich muss mich also zwangsläufig dafür öffnen, es nützt alles nichts. Und ich werde versuchen, mich damit zu arrangieren.

Hat Ihre neue Partnerin auch Kinder?
Nein, hat sie nicht. Aber ich stehe mit dem Thema nicht alleine da. Das ist sehr fordernd für alle Beteiligten. Einerseits ringt einem Patchwork sehr viel ab. Man muss tolerant und aufgeschlossen sein. Andererseits ist das letzten Endes etwas, woran man sehr wachsen kann.

Dazu passt der Song: „Wenn du die Wahl hast“. Oft hat man keine. Sie singen: „Es ist fast nie perfekt. Und wenn, dann hört’s schnell auf“. Nicht sehr optimistisch.
Stimmt, das klingt sehr pessimistisch. Aber es ist damit gemeint, dass alles immer in Veränderung ist. Wenn einem Menschen unangenehme Sachen passieren, denkt man sich oft, dass es nie mehr besser wird und alles bleibt, wie es ist. Das ist aber genauso falsch, wie zu glauben, dass alles immer gut bleiben wird. Alles ist im Wandel. Wenn man das irgendwann akzeptieren kann, bleibt einem viel Stress erspart.

Im Lied „Endlich wieder frei“ kommt es zu einem großen Widerspruch: „Leben ohne Kompromiss, Gott, wie ich dich vermiss’“. Da sprechen Sie bestimmt vielen Menschen aus der Seele.
Es geht um die Zwischenwelt, in der man sich nach einer Trennung oder einer tief greifenden Veränderung befindet. Das Alte liegt hinter einem, aber komplett raus ist man noch nicht. Und das Neue ist noch nicht so etabliert im Leben, dass man sich total darauf einlassen könnte.

Glauben Sie, dass das Alte vorbei sein muss, um etwas Neues zu beginnen?
Ja, ich denke, das muss man abwarten. Wie der Weg des Abwartens aussieht, ist jedem selbst überlassen. Aber bis man sich ernsthaft auf etwas einlassen kann, muss das Alte abgeschlossen sein. Sonst holt es einen immer wieder ein.

Könnte es sein, dass der Mensch nur Potenzial für eine bestimmte Anzahl von Lieben in seinem Leben hat?
Wenn das so wäre, könnte man meiner Meinung nach nicht von richtiger Liebe sprechen. Wahre Liebe ist unerschöpflich. Sie hat keinen Anfang und kein Ende. Sie ist einfach da. Das ist eine gewisse Form der Energie, der man sich entweder öffnen kann oder nicht. Liebe kann man nicht herstellen, man kann sich nur mit ihr verbinden.

Das klingt sehr philosophisch.
Das unterscheidet das Album auch von den vorhergehenden, wo es immer nur um Beziehung ging. Dieses Mal habe ich mir Gedanken über viele wesentliche Dinge gemacht. Veränderung, wie gehe ich mit Neuanfängen um, Transformation, wie behalte ich meine Offenheit, was bedeutet Glück für mich.

Liebe ist aber am spannendsten. Glauben Sie, dass wir uns zu viel erwarten? Im Märchen heißt es ja oft: „Glücklich bis ans Ende aller Tage“. Und im Film gibt’s das berühmte „Happy End“.
Das ist natürlich ein Idealbild, dass da dargestellt wird. Ich gucke mir das ja auch gerne an und denke mir: Das ist so schön. Meine Erfahrung ist aber irgendwie, dass es im echten Leben doch ein bisschen anders läuft.

Haben Sie einen Lieblingsfilm?
Unlängst habe ich im Fernsehen wieder „Terminator“ mit Arnold Schwarzenegger gesehen. „I’ll be back!“ Herrlich, wie er das sagt. Das ist die Rolle seines Lebens.

Ich dachte eher an einen romantischen Film.
Ach so, da müsste ich jetzt nachdenken. Aber bei Schwarzenegger ist doch toll, dass der im „Terminator“ keine Gesichtsausdrücke hat. Wie ideal ist das denn bitte? Das kann man sich doch gar nicht ausdenken. Es muss so gelaufen sein. Der Regisseur hat gesagt: „So, wir machen eine Rolle und du guckst einfach die ganze Zeit wie immer. Und dann sagst du noch drei Sätze in schlechtem Englisch bitte, wenn’s geht.“ Köstlich.

Und wirst damit noch weltberühmt.
Ja, genau. Also der Film taugt mir definitiv.

Und nun: Zurück zur Liebe. In „Knapp daneben“ heißt es: „Für dich wär’ ich zum Nordpol und zurück gezogen.“ Wie weit sind Sie für eine Frau schon gereist?
Während meiner Studienzeiten habe ich in Süddeutschland gewohnt. Meine damalige Freundin war ein paar Jahre älter als ich und als Model viel unterwegs. Sie rief mich an und meinte: „Ich bin zwei Tage in Berlin und so alleine. Komm doch hoch.“ Da habe ich mich ins Auto gesetzt.

Was für ein Auto war das?
Ein Ford Fiesta, der 128 km/h gefahren ist – im vierten Gang. 1.600 Kilometer für eine Übernachtung.

War es Liebe?
Ja, nennen wir es Liebe.

Gut gefallen hat mir auch der Lied-Titel „Das Leben ist auch nur ein Mensch“. Was für ein Mensch ist denn Ihr Leben?
Sprunghaft und unvorhersehbar. Natürlich ist das Leben kein Mensch, aber es ist oft schwer zu verstehen und nicht immer so, wie man es erwartet. Das Leben hat doch eigene Vorstellungen davon, was in welcher Reihenfolge passiert.

Sie haben ja auch beim Song-Contest in Helsinki 2007 zuerst einen Reinfall erlebt und sind erst dann berühmt geworden. Mit „Frauen regieren die Welt“ wurden Sie 19. von 24 Teilnehmern. Heute geht’s in Kopenhagen wieder zur Sache. Werden Sie zuschauen?
Mal sehen. Ich finde ja weniger, dass es ein Song-Contest als viel mehr eine europäische Entertainment-Veranstaltung ist.

Viele, die bei dem Event schlecht abschneiden, sind nachher vergessen.
Meistens ist es so, dass Leute, die nicht gewinnen oder schlecht platziert sind, ihre Karriere vergessen können. Mir hat das lustigerweise nur geholfen. Ich war der Sieger der Herzen. Es war ein Push in jeder Hinsicht. Das ist schon eine Leistung.

Was haben Sie richtig gemacht?
Im Nachhinein ist das immer schwer zu beurteilen. Ich habe in dem Moment versucht, alles zu geben, was ich zu geben hatte. Ich bin mir selber treu geblieben und habe gemacht, was ich immer gemacht habe. Das werde ich auch weiter tun. Dann kann nicht viel passieren.