Leben

Risiko Ruhm

Gäbe es eine Skala für Beben privater Natur, hätte Sylvie van der Vaart, 35, auf der zehnteiligen Life-sucks-Skala wohl Stufe acht erreicht. Zuerst schlittert das Vorzeigepaar Sylvie und Rafael, 30, in eine Ehekrise. Dann folgt die nächste Erschütterung: Die Eltern eines gemeinsamen Sohnes trennen sich. Und schließlich endet die öffentliche Privatangelegenheit mit dem totalen Supergau: Rafaels Neue ist Sylvies Ex – die einstmals beste Freundin Sabia, 35, hat der Moderatorin den Mann ausgespannt. Im normalen Leben müsste Sylvie verzweifelt und Rafael kleinlaut sein, Sabia müsste ein schlechtes Gewissen haben.

Doch Prominente ticken anders, weil sie im Fokus der Öffentlichkeit stehen. Deshalb genießt Sylvie, schön wie eh und je, ihr Singleleben in Saint-Tropez, Rafael verkündet in Interviews wie glücklich ihn sein neues Leben macht, und Sabia präsentiert den Paparazzi den Schlüssel zum gemeinsamen Eigenheim. Ja, sind denn die alle schmerzbefreit? Nein, meint der deutsche Medienexperte Jo Groebel. Sie folgen nur den Gesetzen des Marktes. „Die Schicksalsschläge sind real und belasten Prominente genauso wie jeden anderen Menschen. Parallel dazu gibt es aber die Öffentlichkeit. Das ist eine schwierige und spannende Konstellation.“ Denn das Motto lautet: Egal, wie schlecht du dich fühlst, bleib im Gespräch! „Einerseits ist da das Gefühl: „Mir geht es nicht gut.“ Aber der Promi denkt weiter und sagt sich: „Wenn es mir schon nicht gut geht, kann ich das gleich für die Öffentlichkeit nutzen,“ erklärt Groebel

Zusätzlich gilt es auch in schwierigen Zeiten, sein Image zu schützen. „Ein Einbruch im Leben, egal ob Krankheit oder Trennung, kann das Image bedrohen. Deshalb ist es auch wichtig, schnell zu demonstrieren: „Es geht mir wieder gut!“ Groebel führt dazu die Krise von Jenny Elvers, vormals Elbertzhagen, als Beispiel an. Die Schauspielerin präsentierte trotz großer Einschnitte wie Beziehungsende und Alkoholentzug vor wenigen Monaten, in einer Fotostrecke mit einer neuen Liebe – was Groebel, der mit Elvers befreundet ist, kritisch sieht. „Ohne Jenny wehtun zu wollen. Aber um möglichst schnell zu demonstrieren, dass sie wieder on top ist, nimmt sie gerne billigend in Kauf, dass das sich anbahnende, aber noch gar nicht so reale wie auch immer zu bezeichnende Glück in die Öffentlichkeit kommt.“ Denn wichtig ist es auch, dem Ex zu vermitteln: „Meine Chancen sind intakt.“ Vor allem, wenn der längst eine andere Blondine hat. Bei der Demonstration von Stärke und Überlegenheit in schweren Zeiten, geht es aber nicht nur darum, das Gesicht zu wahren. Stars wissen: Die Währung steht und fällt mit der Öffentlichkeit! „Wer signalisiert, dass es ihm wieder gut geht, zeigt der Branche, dass er einsatzfähig ist“, analysiert Jo Groebel. Und für ein neues Engagement, das die Kassen klingeln lässt, lohnt es sich, den Schmerz zu unterdrücken. Schöner Nebeneffekt: Durch die Beschäftigung ist man abgelenkt und kommt weniger zum Grübeln. An und für sich eine kluge Entscheidung, wenn man dabei im Auge behält, wer man ist. Medienbeobachter Groebel hat nämlich schon einige Male miterlebt, wie der öffentliche mit dem privaten Mensch verschmilzt. „Dann ist man nicht mehr in der Lage zu unterscheiden, ob man noch liebt oder nicht und ob man noch leidet oder nicht.“ Zurück bleibt das mentale Chaos.

freizeit: Frau Widl-Gruber, gehen Prominente anders mit Krisen um, als Menschen, die nicht in der Öffentlichkeit stehen?
Hermine Widl-Gruber: Fakt ist, dass Promis meistens mehr Geld als andere Menschen haben. Sie können sich mehr Unterstützung leisten und Entlastung kaufen. Was wiederum dazu führen kann, dass sie selbst weniger Erfahrung mit Problemlösung haben.

Gibt es weitere Unterschiede?
Ich möchte eher auf Gemeinsamkeiten hinweisen. Egal, ob reich oder arm: In beiden Fällen handelt es sich um Menschen. Die Frage ist also, wie der Mensch generell mit Krisen umgeht.

Jeder Mensch ist in einer Krise auf sich selbst zurückgeworfen. Es kommt darauf an, welche Problemlösungskompetenz derjenige hat, wie früh er Probleme erkennt und ob er ein gutes soziales Netz hat.

Eigentlich schon als Kind. Da sind die Probleme klein und man kann Erfahrungen sammeln. Ein Problem könnte sein, dass man sein Geld vergessen hat, wenn man einkaufen geht. Es kann auch Spaß machen, sich Lösungen dafür zu überlegen. Aber viele Eltern nehmen Kindern Lebenserfahrungen wie diese ab, indem sie das Problem lösen. Dabei sind die Konsequenzen in so einem Fall sehr gering. Ein gutes Übungsfeld also.

Das passiert automatisch. Wenn ich kleine Probleme lösen kann, fallen mir große früher auf. So kann ich rechtzeitig die Weichen stellen und man kommt nicht so in die Bredouille – außer bei einem Schicksalsschlag.

Das kann man im Vorhinein nie sagen. Aber der eigentliche Punkt ist: Wenn ich gelernt habe, Problemlösungskompetenz zu üben, habe ich gute Chancen, viele Krisen zu bewältigen. Auch wenn die Bewältigung lange dauern kann. Wichtig ist auch zu erkennen, wann man Hilfe von außen braucht.

Hermine Widl-Gruber ist Psychologin in Korneuburg und Hollabrunn.

www.psychologin-widl-gruber.at