Leben

Jugend & Idole

Vor 60 Jahren, am 30.September 1955, starb James Dean auf tragische Weise bei einem Autounfall. Für viele Fans brach damals eine Welt zusammen. Doch als Idol lebt der Star weiter. ohne Nachfolger. Aber wer sind eigentlich die Jugendidole von heute?

Jugend und Revolte. Vor 60 Jahren ging das noch Hand in Hand. Wie Pech und Schwefel, wie der Wilde mit seiner Maschin’. Ob nun Marlon Brando in Leder lässig vor seiner Harley posierte oder James Dean in Jeans zum Botschafter der Halbstarken mutierte, über den Soundtrack der jungen Generation der Fünfziger Jahre gab es keine Diskussion: Begehren, Aufbegehren, Körperlichkeit, Sex, Widerstand und Verrücktheit waren sowohl im Kino als auch in der Jukebox beim Wirten ums Eck das Thema.

Elvis Presley und James Dean, die fanden wir richtig cool“, erinnert sich Peter Kraus auf seine alten Tage an seine Jugend. Und es erstaunt wirklich: Kaum hat der Rock’n’Roll in Memphis,Tennessee den Takt angegeben, schlug 1956 in München die Stunde des Siebzehnjährigen, der kurz zuvor als Johann „Johnny“ Trotz in der Verfilmung von Kästners „Fliegendem Klassenzimmer“ früh im Spotlight stand.

Peter Kraus, das erste Jugendidol Mitteleuropas, weiter: „Wir hatten damals keine Möglichkeiten, die Musik aus den USA zu hören, weder im Radio und schon gar nicht im Fernsehen. Wir hatten nur davon gehört, dass ein gewisser Elvis Presley zu ordinären Körperbewegungen wilde Negermusik macht. Ich habe mich vor den Spiegel gestellt mit meiner Gitarre und mir überlegt: Was können das für Bewegungen sein?, und als ich sie mit Rock’n’Roll-Musik in München vorgestellt habe, hat das Publikum getobt! Die Jugendrevolution hatte begonnen.“

Während der Nachwuchs früher nach Neuem verlangte und gegen Altes protestierte – Eltern, Schule, Lehre und überhaupt – registrieren Jugendforscher seit den Nuller-Jahren nüchtern den Auftritt einer „pragmatischen Generation“.

Bernhard Heinzlmaier, Mitbegründer des Wiener Instituts für Jugendkulturforschung, behauptet etwa, dass es trotz kurzem Aufflammen einer „Occupy Wallstreet“-Bewegung gänzlich außer Mode gekommen sei, den Status Quo infrage zu stellen: „Alles funktioniert innerhalb gewisser Normen.“ Im Vorjahr erklärte der Jugendforscher in seinem Buch „Generation Ego“ entschuldigend: „Je nach wirtschaftlicher Lage steht diese pragmatische Generation mehr oder weniger unter Druck.“ Jetzt legt er ein Schäuferl nach und postuliert mit seinen Mitarbeitern Philipp Ikrath und Martina Ackerl einen kommenden Trend, den er als einen der Megatrends 2020 ausgemacht hat: „Die neue Lust an der Normalität.“

Heinzlmaier: „Die Menschen unserer Zeit haben keine Lust am Widerstand. Sie wollen nicht dagegen sein, sie wollen für etwas sein, sie wollen nicht außerhalb stehen, sondern inmitten von Gleichgesinnten, sie wollen nicht die Auseinandersetzung, sie wollen harmonische Zustände.“

Es ist noch nicht so lange her, da war „Normalo“ durch und durch ein Schimpfwort. Hippies ließen sich die Haare lang wachsen, um dem zu entgehen, Punks die Wangen mit einer Sicherheitsnadel durchstechen. Und Grufties oder Grunger pflegten ihren eigenen Holzfällerhemden- oder Düsternis-Stil, um nur ja nicht mit einem „Average guy“ verwechselt zu werden.

Männer oder Frauen ohne Eigenschaften zu sein. Bloßer Durchschnitt, zu mehr reicht es nicht. Einer wie du und ich. Ein Star zum Anfassen. In diese Falle wollte außer Bruce Springsteen noch keiner absichtlich tappen. Und auch der Boss hat etwas drauf, warum er angehimmelt, verehrt oder gar nachgeahmt wird – das hohe C.

C wie Charisma. Selbst ein kaputter Typ wie Sid Vicious von den Sex Pistols hatte genug davon. Er kam zwei Jahre nach James Deans tragischem Unfalltod in einem Londoner Vorort auf die Welt und wurde selbst nicht einmal 22 Jahre alt. Unsterblich aber machten ihn weniger Musik- und Filmaufnahmen, die er hinterließ, sondern sein Drogentod im legendären Chelsea Hotel in New York.

Lange, bevor es gesellschaftsfähig wurde, trat Brando, der Charakterkopf aus Nebraska, für die Rechte der amerikanischen Ureinwohner ein. Ein absolutes No-Go im Selbstverständnis des Western- & Country-Paradieses. Der Gipfel des Affronts: 1973 verweigerte er die Annahme des Oscars für die Rolle als „Der Pate“. Kein Wunder auch, dass Brando in einem seiner letzten Filme, der romantischen Komödie „Don Juan DeMarco“, nur mitspielte, weil ihn am Set ein anderer Außenseiter interessierte – Johnny Depp.

Jugendidole, Stars mit Ecken und Kanten, Menschen, die das Zeug haben, zum Mythos zu werden, wo sind sie geblieben? Ja, es gibt sie. Aber den meisten großen Namen von heute genügt es einfach, bekannt zu sein, Erfolg zu haben, großen Erfolg. Warum auch nicht? Noch in den Neunziger Jahren litt das Image etwa von Madonna und Prince darunter, dass das Publikum alle satt hatte, die größer als der normale Fan sein wollten.
Alles schon dagewesen. Irgendwie schon. Lady Gaga erinnert an Madonna. Duran Duran schauen aus wie Duran Duran vor 30 Jahren. Und Pop-Exhibitionistin Miley Cyrus wirkt wie ein spätpubertärer Teenie, der es darauf anlegt, Macaulay Culkin zu schocken.

Alles ist möglich, noch dazu alles zur selben Zeit. Umso schwieriger ist es, sich im „Mainstream der Minderheiten“ (Heinzlmaier) von anderen abzuheben, zur unverwechselbaren Marke zu werden.


Dagegen hatte es ein Pionier wie Rock’n’Roll-Oldie Peter Kraus direkt leicht: „Ich war sozusagen der erste Justin Biber Deutschlands, bei meinen Konzerten gab es die ersten Ausschreitungen, die ersten Polizeieinsätze, die ersten ohnmächtigen Fans. Aber unsere Privatleben blieben den Medien verborgen, das macht den Unterschied zu heute aus“.

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