Leben

Charlies cooler Onkel

Zeit für ein Interview? In einem anderen Leben vielleicht. Chuck Lorre ist so verplant, dass dafür einfach kein Platz ist. Der 61-jährige gebürtige New Yorker produziert im Moment nämlich gleich vier der angesagtesten TV-Sitcoms der Welt: „Mein cooler Onkel Charlie“, „The Big Bang Theory“, „Mike & Molly“ und „Mom“. Und zwar täglich, gleichzeitig und beinahe rund um die Uhr. Ein Job für Workaholics. Besser gesagt: Vier Jobs für eine ganze Abteilung von Workaholics. Verlässt Lorre die „Stage 26“ der Warner-Brothers-Studios in Burbank bei Los Angeles, wo die SitcomThe Big Bang Theory“ gedreht wird, dann nur, um auf der „Stage 25“ einzuchecken. Mit „Mom“ steht dort seit dem Vorjahr Lorres jüngstes Baby auf dem Plan. Eine Serie rund um die Kellnerin und alleinerziehende Mutter Christy (Anna Faris), die mit ihrer Mutter Bonnie (Allison Janney) Treffen der Anonymen Alkoholiker besucht.

Eine Sitcom, die im Kreativ-Kosmos des TV-Wunderknaben eine Sonderstellung einnimmt. Lorre erklärte dazu in einer seiner legendären, „Vanity Cards“ genannten Produktionsnotizen, die am Ende jeder einzelnen von ihm produzierten Episode eingeblendet werden: „,Mom’ ist mehr als eine weitere Sitcom. Es ist der Versuch, ernste Probleme mit Humor zu behandeln.“

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Der neue PRO7-Spätabend-Hit: „Mom“ mit „Scary Movie“-Star Anna Faris (l.) und Emmy-Gewinnerin Allison Janney als chaotisches Mutter-Tochter-Duo beweist Humor mit viel Tiefgang.

Dabei ist auch Lorres bisheriges Werk diesbezüglich nicht ohne. Von „Roseanne“ bis „The Big Bang Theory“ spricht der College-Abbrecher pointiert Themen an, über die andernorts ganze Dissertationen verfasst werden. Ob es um den Zusammenhang von Arbeitslosigkeit und Suchtgefährdung geht, die Gefahr der sozialen Isolation für Hochintelligente oder die Probleme alleinerziehender (Teenie-)Mütter: Schaut man genauer hin, sind Charlie & Co. wie Bildungsfernsehen. Mit dem Unterschied, dass dieses Aufklärungsprogramm seinen Schöpfer zum schwerreichen Mann gemacht hat. Was aber nur gerecht ist. Denn wenn schon die Stars seiner Serien bis zu einer Million Dollar pro Episode verdienen, muss für den Boss auch etwas abfallen. Chuck Lorres Einkommen für das laufende Jahr wird auf umgerechnet 33 Millionen Euro geschätzt. Die Gabe des Comedy-Kings ist es, die Dinge auf den Punkt zu bringen. Und das ist Gold wert. Eine Erfahrung, von der sogar Eighties-Ikone Debbie Harry ein Lied singen kann. Der ironische Text zu ihrem größten Hit „French Kissin’ in the USA“ stammt von Chuck Lorre.

Apropos Musik: Weil der Apfel ja nie weit vom Stamm fällt, steckt in der Person des Werbejingle-Komponisten und Schwerenöters Charlie Harper aus „Mein cooler Onkel Charlie“ auch eine große Portion Chuck Lorre. Der hatte seinen Durchbruch in Hollywood nämlich als Komponist des Soundtracks zur TV-Serie „Teenage Mutant NinjaTurtles“. Und wie die Kunstfigur Charlie Harper hat auch Chuck Lorre ein Faible für Erotikstars – von 2001 bis 2010 war er mit Karen Witter verheiratet, einem ehemaligen „Playboy“-Playmate. Bleibt die Frage nach Chuck Lorres nächstem großen Wurf. Nachdem „Mom“ erst 2013 angelaufen ist, wird es wohl ein paar Jahre dauern, bis der Maestro wieder eine Sitcom kreiert. Eines aber ist bereits sicher: Sie wird kontrovers aufgenommen werden. Denn erst kürzlich wurde Lorre von der „Academy of Television Arts & Sciences“ dafür ausgezeichnet, „schwierige, kontroverse, aktuelle und soziale Themen angemessen aufzuarbeiten“. Seither fürchten Fans, Lorre könnte tatsächlich seriös werden.

  • RICHTIGER NAME: Charles Michael Levine
  • GEBOREN: 18.10.1952
  • KARRIERESTART: Er tourte nach der Schule mit einer Rockband durch die USA, schrieb 1986 den Debbie-Harry-Hit „French Kissin’ in the USA“ und 1987 die Musik zur TV-Serie „Teenage Mutant Ninja Turtles“.
  • FAMILIE: zwei Mal geschieden, vier Kinder
  • VERMÖGEN: 440 Mio. Euro
  • STERN: Seit März 2009 Hollywood Boulevard 7021
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