Pagani: Signal zur Straßenjagd
Von Bernhard Praschl
Ist es ein Auto mit Motor? Oder umgekehrt, ein scharfes Aggregat mit kühn geschwungener Karbon-Karosserie rundherum? Wie man diesen Exoten auch betrachtet, für Formel-1-Fahrer Adrian Sutil steht fest: „Ein Pagani ist unglaublich.“ Mehr noch. Der Bolide mit dem Namen eines argentinischen Autoverrückten – Horacio Pagani – ist fast unsichtbar, so selten kommt er im Straßenbild vor.
Bisher verließen vielleicht 200 Paganis das Werk in Modena. Dort, wo Enzo Ferraris Vermächtnis beheimatet ist, liegt auch die Wiege des wahrscheinlich teuersten und seltensten Supersportlers der Welt. Unter einer Million Euro geht hier gar nichts. Das Sondermodell Pagani Zonda Revolucion, von dem überhaupt nur fünf Exemplare existieren, kostet sogar die Wahnsinnssumme von 2,6 Millionen Euro.
Nur ein Lamborghini Veneno ist teurer. Um ein paar Hunderttausender. Und auch das nur, weil von diesem speziellen Lambo lediglich drei Stück gefertigt wurden.
PAGANI HUAYRA V12-Zylinder-Biturbo, 6-Liter-Hubraum mit 730 PS Von 0 auf 100 km/h in 3,3 Sekunden, Spitze: 360 km/h Und der Preis? Unter einer Million Euro geht gar nix.
Aber zurück zu Pagani. Horacio, der Mann hinter der Marke, hat bereits 1988 in Italien an kostspieligen Kohlefaser-Kleidern für Lamborghini gebastelt, später für den Formel-3-Rennstall Dallara im Windkanal getüftelt – jedoch nie den Traum vom eigenen Supersportwagen aufgegeben.
1992 war es endlich soweit. Da atmete erstmals ein Geschoß mit dem exotischen Namen auf der Motorhaube das herbe Aroma des Asphalts. Ein Landsmann Horacio Paganis, die Formel-1-Legende Juan Manuel Fangio, hat noch ein Jahr vor seinem Tod höchstpersönlich den Deal mit einem versierten Motorenlieferanten eingefädelt. Daher arbeiten Aggregate von Mercedes-Kraftpaket AMG unter der Haube.
Die Arbeitsteilung ist eindeutig. Die Karosserie, die trotz Spitzen von weit mehr als 300 km/h über jeden übertriebenen Einsatz von Spoilern erhaben ist, entsteht in der leichtlebigen Atmosphäre am südlichen Rand der Po-Ebene. Das zwölfzylindrige Herz des Powerboliden in den eher nüchternen Industriehallen in Affalterbach in Baden-Württemberg. In Zahlen ausgedrückt: 67 Ingenieure und Mechaniker werken in Deutschland an den Motoren, 57 Ästheten in der Emilia-Romagna an der äußeren Gestalt des Gesamtkunstwerks.
Alles in allem ein High-Performance-Paket in Handarbeit. Pro Jahr verlassen gerade einmal ein Dutzend dieser Preziosen den Firmensitz in Italien. Einen Pagani auf der Straße zu sehen, ist daher ein totaler Glücksfall. Und vielleicht würde die Welt außerhalb der Superreichen- und Scheich-Szene gar nichts von der Existenz dieser automobilen Extravaganz wissen, hätte ein Zonda nicht vor drei Jahren auf der Nürburgring-Nordschleife eine Rekordrunde hingeknallt.
Mit einer Zeit von 6,74 Minuten donnerte eine dieser orgiastischen Kompositionen aus Karbon, Chrom, Leder und Alu zu unvergesslichem Weltruhm. So schafft man Legenden. Wer aber kauft so etwas? In erster Linie Scheichs mit ungehindertem Zugang zu Geldquellen, die gewöhnlichen Superreichen versperrt bleiben. Aber auch Sammler mit gigantischem Portefeuille.
Zum Glück geht’s auch günstiger. In der Garage des Computerspiels „Forza Motorsport 5“ parkt ein Pagani Huayra. Mit ihm lässt sich um den Preis eines Abendessens zu zweit checken, ob dieser Wagen 360 km/h schafft. Macht er. Mehr noch. 370 km/h.