Vor 80 Jahren: Als sich Frauen um Nylonstrümpfe prügelten
Einen Hype, den heutzutage nur ein neues iPhone-Modell auslöst, gab es vor genau 80 Jahren um Nylonstrümpfe: Menschenmassen pilgerten in den USA zu den großen Kaufhäusern, um das brandneue hauchfeine Beinkleid ihr Eigen zu nennen. Die vielen Frauen mussten vor den Ladeneingängen von der Polizei in Schach gehalten werden, drinnen prügelte man sich zwischen den Regalen um die Ware. Fast eine Million Nylons wurden an diesem Tag verkauft. Der 15. Mai 1940 ging als N-Day in die Geschichte ein.
Erfinder von Nylon war der US-Chemiker Wallace Carrothers, der für den Konzern Dupont arbeitete. Er war 1928 zur Firma gestoßen, wo er sich mit der Erforschung von Polymeren beschäftigte – sehr lange Kohlenwasserstoffmoleküle, die wie Ketten aus den immer gleichen Bausteinen zusammengesetzt sind.
Aus "norun" wurde "Nylon"
Für die Vermarktung der Neuerfindung war der ursprüngliche Name, Fiber 66, nicht glamourös genug Also kam man auf "norun" (no run: keine Laufmaschen). Oder "nuron". Immer wieder drehten und tauschten die Verkäufer die Buchstaben, um sich dann auf "Nylon" zu einigen.
Dass keine Laufmaschen entstehen würden, war ein Versprechen, das freilich nicht eingehalten werden konnte. Diese Tatsache änderte jedoch nichts an dem weltweiten Siegeszugs des Nylons. Doch die Freude währte nicht lange. Nach dem Krieg wurde das Material für anderes benötigt: Nun wurden daraus Fallschirme, Hängematten und Seile produziert. Strumpfhosen waren nur mehr auf dem Schwarzmarkt erhältlich.
Heute hat das einst heißt begehrte Material ein Imageproblem. Bei Umweltschützern sind synthetische Fasern aus zwei Gründen in Verruf: Erstens basieren Kunststoffe auf fossilen Rohstoffen, zweitens tragen Polyester, Polyamid, Polyacryl und andere textile Kunstfasern zum Mikroplastik-Problem bei.
Der wissenschaftliche Dienst des Europäischen Parlaments verweist in einem Bericht zum Thema Textilindustrie und Umwelt auf mehrere Studien, nach denen ein Waschgang mit synthetischen Textilien bis zu 700.000 Mikroplastik-Teilchen ins Abwasser spülen kann. Alljährlich landet weltweit geschätzt eine halbe Million Tonnen Mikroplastik aus der Textilwäsche in den Ozeanen.
Mittlerweile wird deshalb fleißig nach Alternativen gesucht. Einige Firmen entwickeln bereits biobasierte Polyamide, bei denen der Ausgangsstoff Mais oder Zucker ist. Beim heimischen Strumpfhersteller Wolford hat man sich auch etwas überlegt: Die Teile der "Cradle to Cradle"-Kollektion aus modifizierten Bestandteilen können in Wolford-Stores zurückgegeben werden und landen dann in einer industriellen Kompostieranlage, die sie zu Biogas oder Humus weiterverarbeitet.