Leben

Was guckst du?

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„Aloha Freunde, was passiert denn in der Welt? Meine Fresse, in Syrien ist gerade richtig Ghetto angesagt.“ Armin Wolf würde so etwas nie sagen. Sein hochverehrter deutscher Kollege Klaus Kleber wohl auch nicht. Für Sprüche dieser Art – aber auch überraschend klare und scharfe Analysen – sorgt seit einiger Zeit der 26-jährige Florian Mundt. Seine Fans lieben ihn dafür, knapp 10 Millionen Zuseher pro Monat verfolgen seine Nachrichtensendungen auf YouTube.

Moment, YouTube? Das ist doch diese sekündlich wachsende, unübersichtliche Müllhalde für Baby-niest-Katze-schläft-Idiot-fährt-Einkaufswagenrennen-Videos. Ja, auch. Aber immer öfter werden fürYouTube auch regelmäßige Sendungen produziert. Shows, Nachrichten, Info-Magazine – fast wie echtes Fernsehen. Was so keiner der Macher sagen würde, im Gegenteil: Für Florian Mundt und seine Kollegen wäre das quasi eine Beleidigung.

„Ich habe den Untergang des klassischen Fernsehens erlebt. YouTube ist professioneller – im Sinne von: beweglicher, innovativer.“

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„Von meinen Freunden guckt überhaupt keiner mehr Fernsehen“, sagt Philipp Loude, 23. Auch er ist ein echter Internet-Star, hat mit seiner Comedy-Truppe Y-Titty unter anderem schon zwei goldene Ottos des Jugendmagazins Bravo gewonnen. Und die altbewährte Statistik gibt der Einschätzung des jungen Mannes Recht. Im vergangenen Jahr ist bei unseren deutschen Nachbarn erstmals die Zeit, die vor dem TV-Gerät verbracht wird, gesunken. Zumindest was die 15- bis 25-Jährigen betrifft. In Österreich blieb die Zahl bei den 12- bis 29-Jährigen zumindest stabil niedrig. Angesagte US-Serien ziehen sich Jugendliche und junge Erwachsene von Piraten-Seiten runter oder kaufen sie schon auch mal für ein paar Euros auf Videos-on-Demand-Plattformen. Warten, bis die neuesten Staffeln von „Breaking Bad“, „Homeland“ oder „Game of Thrones“ endlich im Fernsehen laufen? Und sie dann doch versäumen, weil man ausgerechnet zu der Uhrzeit schon was anderes vorhat? Ist doch ätzend. Und für die komplette Unterhaltung zwischendurch gibt’s YouTube: Videos, Comedy, Nachrichten oder Gaming-Tipps – die Angebote treffen genau den Nerv einer Generation von morgen, für die Fernsehen von gestern ist.

Ein Grund für den Erfolg der Formate bei ihrer Zielgruppe ist sicher ihre Direktheit. Keiner der jungen Kreativen muss sich nach den Wünschen eines Redakteurs oder einer bestimmten Blattlinie richten. Gesagt wird, was im jeweiligen Fall wirklich gemeint ist, manchmal polemisch, emotionell – Postings, Kommentare und Diskussionen sind ausdrücklich erwünscht, neue Ideen und Anregungen werden oft in einer der nächsten Sendungen aufgenommen. „So ganz trocken zu sagen: Das war’s vom Giftchaos in Syrien – und jetzt zum Sport, das ist doch absurd“, sagt Florian Mundt. Außerdem wäre es ihm bei einem konventionellen TV-Sender ohnehin „zu hierarchisch“.

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Wie sich die zunehmende Etablierung des Mediums auf dessen Inhalte auswirken wird, bleibt abzuwarten. Kürzlich belagerten Zehntausende kreischende Teenies, extra angereist aus Leipzig, Berlin, München und Wien, ihre Lieblinge beim Videoday in der riesigen Kölner Lanxess Arena. Die erstmals verliehenen YouTube Music Awards boten zwar eine anarchische – von Spike Jonze inszenierte! – Show, aber doch die altbewährten Preisträger zwischen etabliertem Alternative (Arcade Fire, M.I.A.) und Justin-Bieber-Eminem-Kommerz. Und schließlich: Auch die jungen wilden Helden von heute werden einmal die magischen 30 überschritten haben ...

Trotzdem: „Ich habe den Untergang des klassischen Fernsehens erlebt. YouTube ist professioneller – im Sinne von: beweglicher, innovativer“, sagt Christoph Krachten. 30 Jahre lang hat er für praktisch sämtliche deutschsprachigen Fernsehsender gearbeitet. Heute leitet er Mediakraft, das größte europäische Netzwerk, 700 YouTube-Kanäle, 200 Millionen Klicks pro Monat. Krachten feierte heuer seinen 50. Geburtstag.

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Anfang November wurden in New York die ersten YouTube Music Awards verliehen. Die Show war gebührend chaotisch, die Preisträger, über die die User selbst abstimmen durften, waren die üblichen Verdächtigen: Justin Bieber, Eminem, Taylor Swift ...

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Abkrisen: Sich über etwas ärgern.

Adden: Jemanden in sozialen Netzwerken zu seinem Freundeskreis hinzufügen.

Hashtag: # – mit diesem Zeichen werden in sozialen Netzwerken relevante Wörter markiert, um die Suche nach ihnen zu erleichtern. #freizeit – zum Beispiel ...

Lag: Nervende Verzögerung bei der Datenübertragung. Etwa bei Online-Spielen oder Chats.

Lamer: Jemand der nervt – durch unfaires Verhalten bei Online-Spielen oder „trollen“ in diversen Foren.

LOL: laughing out loud – darüber kann ich nur lachen. Steigerung: „ROFL“ – rolling on the floor laughing, und LMAO – laughing my ass off.

Noob: Anfänger bei Online-Games, aber auch in Chats oder Netzwerken.

OT: Off topic – das gehört nicht zum Thema!

Rant: Eine Schimpforgie, Tirade.

RL: Real Life – das Leben außerhalb des Internets.

Selfie: Handy-Selbstporträt, das extra gemacht wurde, um es bei Facebook oder einem anderen Social-Media-Netzwerk hochzuladen.

SRY: Sorry – ’tschuldigung.

TY: Danke – Thank You.

WTF: What the fuck! – Was zur Hölle?!

YOLO: You only live once – Man lebt nur einmal.

FACEBOOK: Das größte soziale Netzwerk der Welt hat 1,4 Milliarden Nutzer.

TWITTER: Die „abgespeckteste“ aller Plattformen, vielleicht gerade deshalb so erfolgreich. Messages sind auf 140 Zeichen limitiert – mehr als 500 Millionen nutzen den Online-Dienst.

TUMBLR: Öffentliches Tagebuch für Bilder, Texte, Audio- und Video-Dateien. Kaum Zensur, was sexuelle Inhalte betrifft, wurde in den letzten Jahren quasi zur +18-Version von Facebook.

YOUTUBE: Der absolute Marktführer, was bewegte Bilder anbelangt. Pro Minute werden 50 Stunden Video-Material auf dieses Internet-Portal hochgeladen, vom Hundewelpen-Video, bis zu legendären Live-Aufnahmen längst verstorbener Musiker.

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