Maya Hakvoort über Fernweh
Von Barbara Reiter
freizeit: Maya, heute fängt der Sommer an. Kannst du als Holländerin mir erklären, warum ihr so gern mit dem Wohnwagen verreist?
Maya Hakvoort: Wir sind ein Meer-Volk und gehen immer der Frage nach: Was ist hinter dem Horizont? Ich liege nie am Strand, sondern träume stehend von anderen Ländern. Holländer wollen mobil sein. Sie bleiben nicht drei Wochen an einem Platz, sondern ziehen weiter.
Das ist alles?
Es hat sicher auch damit zu tun, dass Holland ein kleines Land ist – halb so groß wie Österreich, aber es leben doppelt so viele Menschen dort. Bei uns heißt es: Wir wohnen eng, also müssen wir groß denken. Beim Campen brauchst du nur aus dem Wohnwagen zu gehen und sitzt im Freien, alles ist offen. Wir nehmen uns den Platz, der uns sonst fehlt. Das ist meine Theorie. Einen Campervan zu kaufen ist übrigens ein Traum von mir.
Hast du denn bei deinen zahlreichen Musical-Engagements überhaupt Zeit, zu reisen? Du hast ja auch zwei Kinder.
Nicht so viel wie früher, aber ich bin vorher schon viel gereist. Als ich in den 1990er-Jahren die "Elisabeth" in Wien gespielt habe, hatten wir im Sommer lange Pausen. Ich war in Indonesien, Australien und in einer ganz langen Sommerpause elf Wochen in Bolivien und Peru.
Es heißt immer, dass Reisen bildet. Was hast du denn dabei gelernt?
Ich bin einmal mit 20 Kühen, 100 Hühnern, acht Schweinen und ganz vielen Leuten auf einem Boot auf dem Amazonas gesessen und habe mir gedacht: "Du hast doch Geld aus dem "Elisabeth"-Engagement gespart. Vier Tage ohne Dusche, warum tust du dir das an? Das klingt nach Abenteuer, aber schön war’s nicht.
Warum hast du es dir also angetan?
Weil das Grenzerfahrungen sind. Sie haben mich gelehrt, dass man sich nur auf sich selbst verlassen kann. Reisen hat mir deshalb so viel gebracht, weil ich zurück zu den Basics gegangen bin, ganz ohne Luxus. Als ich vier Tage nach Machu Picchu hinaufgewandert bin, habe ich gesehen, wie wenig die Peruaner zum Leben brauchen. Das können wir uns in Österreich gar nicht vorstellen, weil wir anderes gewohnt sind. Aber in Wahrheit braucht man weniger als man denkt.
Bis du ein bescheidener Mensch?
Ja, schon. Wenn du mich in ein Vier-Sterne-Hotel verfrachtest, tust du mir keinen Gefallen. Urlaub kann ich auch auf dem Campingplatz machen. Das hat auch finanzielle Gründe. Holländer können gut mit Geld umgehen. Die müssen nicht das größte Auto und das größte Haus haben.
Ich habe aber gelesen, dass du eine Harley hast.
Ja, ich habe eine Harley. Ich fahre Motorrad seit ich 21 bin. Und die Harley gehört zur Hälfte mir – eigentlich zu drei Viertel.
Wem gehört das andere Viertel?
Der Bank. Das ist aber der einzige Kredit, den ich habe. Mein Haus zum Beispiel habe ich gemietet, weil du als Selbstständige ohnehin keinen Kredit bekommst.
Du hast doch 1.046-mal die "Elisabeth" gespielt. Als Außenstehender hat man immer das Gefühl, ein Musical-Star müsste sich einiges leisten können.
Das Geld habe ich investiert – in meine Kinder, in Reisen...wo der Rest ist, sage ich dir, wenn das Tonband nicht mehr läuft.
Okay, lass uns inzwischen darüber reden, wie man es schafft, eine Rolle, die man 1.046-mal spielt, vital zu halten.
Im normalen Leben ist es doch auch so, dass du jeden Tag mit dir aufstehst. So habe ich auch die Rolle der Elisabeth gesehen. Ich bin jeden Abend neu auf die Bühne gegangen und habe mir ständig andere Aufgaben gestellt. Zum Beispiel habe ich einige Szenen anders gespielt und es meinem Partner nicht gesagt. Der war zwar überrascht, das Ganze hat aber Wirkung gezeigt. Wir sind natürlich geblieben und haben nie auf Autopilot geschaltet.
Seit 2013 stehst du mit "Voices of Musical" gemeinsam mit anderen Sängern wie Lukas Perman oder Marjan Shaki auf der Bühne. Ist es schwierig für dich, die Aufmerksamkeit jetzt teilen zu müssen?
Ach woher. Die Künstler sind ja Freunde von mir, jeder von uns hat seine Qualitäten. Und wenn ich höre, wie die Marjan bei Open-Air-Auftritten ihre Stimme in den Himmel schießt, denke ich nur: Juhu! Das ist so ein schönes Gefühl, weil ich das ja kenne. Und ich produziere die Show ja.
Du meinst, du bist immer noch die Chefin.
Ich würde eher sagen die Mutter der Gesellschaft. Ich bin mit 48 älter als die anderen. Diese Rolle übernehme ich gerne.
Muss man eigentlich als Musical-Darsteller heutzutage Shows machen, um genug zu verdienen?
So drastisch ist es nicht, aber man macht sich einfach unabhängiger. In Wien gibt es nur zwei Häuser, und wenn du in eine Produktion, die ja sehr lange dauern kann, nicht hineinkommst, hast du Pech gehabt. Deshalb bin ich froh, dass ich mir mit meinen eigenen Produktionen ein zweites Standbein geschaffen habe.
Bist du eigentlich mit Pia Douwes befreundet, die derzeit im Ronacher die Hauptrolle in "Der Besuch der alten Dame" spielt?
Befreundet sind wir nicht, aber wir mögen uns. Wir haben unterschiedliche Leben. Sie ist total in ihrer Arbeitsenergie und ich komme von zuhause mit den Kindern. Letztes Jahr haben sie und Uwe Kröger bei "Voices" mitgearbeitet. Aber da haben wir gemerkt, dass das nicht geht. Die haben keine Zeit und damit nicht den Kopf, sich in ein Team einzubetten.
Stimmt der Eindruck, dass Musicals nicht mehr so populär wie früher sind?
Es ist sicher schwieriger geworden. Ich sehe es bei meinen Kindern. Mein Sohn geht zwar über die Schule ins "Theater der Jugend", aus der ganzen Klasse haben sich aber nur zwei Kinder angemeldet. Das liegt auch an den Eltern, die Vorbilder für Kultur sein müssen. Und manchmal denke ich mir auch, dass es zu viele Veranstaltungen am Markt gibt. Wo sollen die Leute noch überall hingehen? Ich hoffe nur, dass viele denken: "Bei der Maya, erlebe ich was Spezielles." Das Problem ist, dass in unserer Gesellschaft alles mehr werden und immer mehr herausschauen muss.
Was genau sprichst du da an?
Immer mehr Veranstaltungen, die alle verkauft werden müssen. Bei den Aktien ist es nicht anders. Überall muss mehr rausschauen. Das geht nicht. Ich hole mein ganzes Geld jetzt da raus. Vor einigen Monaten habe ich mir gedacht: ‚Wie komme ich dazu, mein hart erarbeitetes Geld anderen Menschen anzuvertrauen?‘ Ich habe in Schiffsaktien investiert und 50.000 Euro verloren. Da hätte ich fünf Mal mit meinen Kindern nach Namibia auf Safari fliegen können. Ich gebe mein Geld niemandem mehr und lege es höchstens auf ein Sparbuch.
Da wird das Geld aufgrund der niedrigen Zinsen aber auch weniger.
Man verliert aber nicht 50.000. Was ich verdiene, will ich auch behalten. Und solange ich was für schlechtere Zeiten auf der Seite habe, ist das okay. Mit den Kindern nach Namibia möchte ich nächstes Jahr trotzdem. Deshalb müssen sich die Schiffsaktien schnell wieder normalisieren.
Gibt es sonst noch etwas, was du dir wünschst?
Ich möchte einen Musical-Film machen. Am liebsten die Geschichte von jemandem, der gut singt, damit ich mein Talent zeigen kann. Am meisten würde mich die Lebensgeschichte von Barbra Streisand interessieren.
Dafür ist deine Nase zu klein.
Es gibt ja Maskenbildner.
Ich denke ohnehin, dass die Nase schon operiert wurde.
Sie hat immer gesagt, dass sie nichts machen hat lassen.
Wie stehst du zu Schönheitsoperationen?
Ich bin da sehr dagegen. Wenn ich mit mir nicht zufrieden bin, muss ich innen was ändern, nicht außen. Es geht immer um die Einstellung. Außerdem habe ich panische Angst vor Spritzen. Wer weiß, wie sich dieses Gift in meinem Körper auswirkt? Ich habe auch noch keine Frau gesehen, die nach einer Operation schöner war.
Beim Film gibt es für Frauen über 40 nicht genug Rollen. Wie ist das beim Musical?
Nach der Geburt meines zweiten Sohnes habe ich 2010 in Stockerau Viktor/Viktoria gespielt. Danach hatte ich eine Flaute. Da habe ich die Panik gekriegt und hatte das Gefühl, dass bald was kommen muss, weil sonst mein Erspartes alle ist. Und weil du vorher gefragt hast, wo mein Geld ist: Ich war verheiratet und eine Scheidung ist ein finanzieller Ausnahmezustand. Ich sitze aber auch nicht auf meinem Geld, weil ich leben will. Derzeit kann ich mich aber nicht beschweren.
Was steht an?
"4 Voices of Musical", "Sunset Boulevard" in Tecklenburg, ein paar große Galas und so weiter. Bis Ende 2015 schaut es gut aus. Solange das so ist, mache ich mir keine Sorgen. Jetzt habe ich viel geredet, oder?
So soll es ja auch sein.
Na dann ist es ja gut.
Info: "Voices of Musical" mit Maya Hakvoort findet am 5. August auf der Seebühne Mörbisch statt. Karten unter: www.oeticket.com