Leben

LEICHTER LERNEN

Manche Tatsachen kann man auch mit nur 140 Zeichen ausdrücken. Wie einen Bericht über das heutige Schulsystem: Ich bin fast 18 und hab keine Ahnung von Steuern, Miete oder Versicherung, twitterte eine deutsche Schülerin, aber ich kann ne Gedichtsanalyse schreiben. In vier Sprachen.
Die Klage darüber, dass Schüler kaum lernen, alltägliche Dinge zu begreifen und für das Leben nach der Schule gewappnet zu sein, sorgte für Aufruhr in den sozialen Netzwerken und heftige Diskussionen bei Lehrern und Eltern. Gerade in Zeiten, in denen Computer immer mehr unser Leben beeinflussen, Science Fiction zur Realität wird, ist entscheidend, das Lernen auf Dinge zu konzentrieren, die Kollege Computer nicht beherrscht. Er schwächelt, wenn es gilt, Muster zu erkennen und ist nicht fähig, Ideen umzusetzen. Doch lernen Kinder diese Dinge heute? Eher steht das monotone Auswendiglernen im Mittelpunkt des schulischen Alltags. Und auch an Universitäten betreiben Studenten oft Bulimie-Lernen: Erst wird der Lernstoff reingestopft, um dann alles auszukotzen.
Eine der schillerndsten Silicon-Valley-Ikonen, der Selfmade-Milliardär Peter Thiel – er finanzierte Facebook, gründete das Online-Bezahlsystem PayPal und verkaufte es für mehr als 1,5 Milliarden Dollar – schlägt Alarm: Heute sei vor allem an US-Universitäten wie in Harvard – wo früher John F. Kennedy, Bill Gates oder Barack Obama studierten – alles auf den Konkurrenzdruck untereinander fokussiert. Anstatt gemeinsam Ideen zu kreieren, kämpft jeder Student nur um seine eigenen Noten. „In der globalisierten Gesellschaft der Zukunft wird es zu wenig Arbeit für zu viele Menschen geben, man wird bis zu elf Mal den Job wechseln und die Basis seines Wissens drei Mal austauschen müssen“, warnt auch der Soziologe Richard Sennett.
Stress, Schulabbruch und Leistungsdruck – muss man leiden, um ein guter Schüler zu sein? Warum löst oft schon der Gedanke an die Schule bei Eltern und Kindern Angst, Unruhe und sogar Ohnmachtsgefühle aus? Die Schule von morgen, das Lernen der Zukunft wird sich radikal verändern (müssen). Schüler und Lehrer werden in einer total vernetzten Welt mit einer digitalen Revolution im Klassenzimmer konfrontiert. Die alte Kreidetafel als Synonym für vergangene Zeiten hat bald ausgedient. Schon heute gibt es in England in fast jeder Schule interaktive, digitale Whiteboards. Elektronische Projektionswände, die aus dem Internet den Lehrstoff auf dem aktuellsten Stand erhalten. Auch das Schulschwänzen wird (leider) in Zukunft unmöglich sein: Lehrer, aber auch Eltern, werden jederzeit Noten, An- und Abwesenheit der Schüler in digitalen Klassenbüchern abrufen können.
Aber auch wesentlich sinnvollere digitale Hilfsmittel revolutionieren das Lernen. Wie in Rechenzentren erstellte Lernpläne, die auf Schüler individuell zugeschnitten sind. E-Learning – elektronisch unterstütztes Lernen – wird Schülern und Studenten immer mehr spielerische und bequeme Bildungsmöglichkeiten bieten. Statt Stress oder auch Langeweile im Klassenzimmer. Mit Hilfe von in den USA entwickelten MOOC (Massive Open Online Course)-Internet-Kursen, in denen Lehrende und Lernende miteinander kommunizieren, können Schüler in Zukunft auch bei uns bequem ihren Lernstoff vertiefen. Wann und wo sie wollen. Videos und Quizfragen lockern das Lernen im Online-Forum auf und steigern die Motivation. Der Druck, lernen zu müssen, wird durch spielerische Elemente erleichtert.
Und möglicherweise wird die Schule von morgen vielen sogar Freude bereiten. Lehrern, Eltern – und vor allem Schülern.


michael.horowitz@kurier.at