Expertin: "Roboter sind keine Aliens – sie sind von uns gemacht"
Von Michael Horowitz
freizeit: Sie sind Roboter-Psychologin, was kann man sich darunter vorstellen?
Martina Mara: Jedenfalls nicht einen Roboter, der am Therapiesofa liegt. Das wäre Unsinn, denn Roboter mit Gefühlen gibt es nicht. Es geht nicht um das Wohlbefinden von Robotern, sondern um jenes der Menschen, die beruflich und privat mit Robotern interagieren.
Es ist also wichtig, ein neues Bild von Robotern zu bekommen.
Momentan sieht der Mensch den Blechmann, die menschenähnliche Maschine, die uns in vielen unserer kognitiven, emotionalen, sozialen, motorischen Fähigkeiten nachahmt. Dieses Bild ist falsch, weil es technisch sehr schwierig ist, diese menschlichen Komponenten nachzuahmen. Wir brauchen Maschinen, die uns ergänzen und nicht kopieren. Und wir wissen inzwischen auch, dass Roboter, die dem Menschen zu ähnlich sind, Angst machen.
Aber es gibt doch schon jetzt Roboter, die zum Beispiel 1:1 künstlichen Haustieren nachempfunden werden, oder Roboter in der Alten- und Krankenpflege …
Ja, es gibt Prototypen, ja, es wird daran geforscht, aber das Thema ist völlig überrepräsentiert, viel zu sehr medial verwertet.
Wird der Mensch mit natürlichem Instinkt statt künstlicher Intelligenz bestimmen, wie sich das Zusammenleben mit dem Roboter in Zukunft abspielen wird?
Was wollen wir Menschen? Roboter sind keine Aliens, sie sind von uns gemacht. Wir müssen weg von diesem Konkurrenzdenken. Weg davon, dass die Maschine den Menschen ersetzt oder besser ist als der Mensch, hin zu synergetischen Bildern. Wenn man ständig nur mit dem Terminator oder dem Sexroboter konfrontiert wird, verfälscht dies das Bild. Natürlich ist der Roboter effizienter und schneller in der Datenanalyse, kein Mensch kann Millionen von Textseiten so schnell erfassen, kein Mensch kann sich wie ein selbstfahrendes Auto jede Millisekunde um 360 Grad drehen und sich mit anderen Computersystemen vernetzen. Kein Mensch kann rund um die Uhr präzise und ständig dieselben Bewegungen durchführen.
Oder auch Arbeiten ausführen, die für Menschen zu gefährlich sind …
Ja, genau. Und das ist großartig. Aber es gibt viele Dinge, die Menschen besser können. Es macht daher auch überhaupt keinen Sinn, Maschinen zu bauen, die Menschen nachahmen.
Aber Pflegeroboter, wie sie bereits in Japan eingesetzt werden, sind doch ein Aspekt, die für den Einsatz von Maschinen spricht?
Man darf sich den Pflegeroboter nicht als Empathie-Simulationsmaschine vorstellen, sondern als sinnvolle mechanische Unterstützung. Pflegerinnen und Pfleger leiden sehr darunter, dass sie viel zu wenig Zeit haben für den emotionalen Umgang mit den Patienten. Der Mensch übernimmt das Streicheln und die Maschine hilft z.B. bei der Körperpflege, einem sensiblen, oft schambehafteten Bereich.
"Roboter und Künstliche Intelligenz dürfen in Zukunft keine Angst-besetzten Themen sein"
Ein ganz anderes Thema: Glauben Sie an die Sexroboter der Zukunft, an denen Menschen ihre Fantasien ausleben?
Die Frage ist, gibt es ausreichend Menschen, die gerne mit einer eiskalten Maschine interagieren möchten? Ich halte Sexroboter für ein Nischenphänomen – auf Dauer kann es langweilig werden, wenn man mit einem Gerät konfrontiert ist, das alles an analysierten Bedürfnissen ausrichtet.
Welchen Roboter wünschen Sie sich?
Einen Fensterputz-Roboter, den es bei mir aber nicht geben kann, weil ich in einer Altbauwohnung mit doppelten Kastenfenstern wohne und der Roboter daran noch scheitert.
Warum funktionieren aber Bridge- oder Schachcomputer?
Weil diese Computer ganz klaren Regeln folgen. Unser Alltag, unsere Schmutzwäsche-Haufen zu Hause, machen das hingegen nicht.
Muss sich der Mensch vor der Zukunft, vor der Dominanz der Künstlichen Intelligenz, fürchten? Freuen Sie sich auf das Leben von morgen?
Natürlich, alles andere wäre destruktiv. Es ist ein großes Problem, dass Roboter und Künstliche Intelligenz angstbesetzte Themen sind und Menschen Sorge davor haben, sozial isoliert, durch Technologien ausgeschlossen zu werden. Es muss uns unbedingt gelingen, den Menschen bei Themen wie Algorithmus, Machine learning oder neuronalen Netzwerken ein Grundverständnis zu vermitteln.
Werden Sie weiter in Ihrer Altbauwohnung bleiben?
Ja, trotz oder wegen der alten Kastenfenster.