Leben

High End

Die Pyramiden, der Turm zu Babel, die großen Kathedralen Europas, die in Ulm und Köln mit 160 Metern durchaus an den Wolken kratzen. Wir wollten schon immer hoch hinaus. Die Grenzen wurden von der Technik bestimmt. Schon die alten Römer nutzten Beton – aber nicht das Konzept der "Bewehrung" durch ein Stahlskelett.

Erst als im 19. Jahrhundert der Stahlbeton erfunden wurde, begannen Häuser tatsächlich in den Himmel zu wachsen. Zuerst die jungen Städte der Neuen Welt natürlich, wo New York und Chicago zum Inbegriff des modernen Höhenwachstums wurden. Dann überflügelten Asien und der Nahe Osten das Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Heute sind es hauptsächlich die Söhne der Scheichs, die um den jeweils nächsten Rekord wetteifern. Den hält seit fünf Jahren der Burj Khalifa in Dubai mit sagenhaften 828 Metern. 1,5 Milliarden Dollar Baukosten, 517.000 Quadratmeter Nutzfläche. 12.000 Arbeiter leisteten 22.000.000 Arbeitsstunden um den Traum aus Stahl und Glas gleich um satte 319 Meter höher zu machen als den Taipei 101, den bisherigen Rekordhalter. Aber natürlich ist alles endlich. Schon 2019 soll in Saudi Arabien ein Gebäude entstehen, das den Burj bei Weitem in den Schatten stellt ...

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Manchmal ist es gerade das Scheitern, das zu Legendenstatus führt. Vor 25 Jahren wollte David Brillembourg in Venezuelas Hauptstadt Caracas ein Zeichen setzen: 192 Meter hoch, glänzend und elegant sollte der Banken-Tower werden.
Die Finanzkrise machte das Projekt zunichte, Brillembourg starb – das Betonskelett seines Lebenswerks wurde zur Zuflucht für Tausende Obdachlose. Aus Sicherheitsgründen wurden die Bewohner heuer umgesiedelt.

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Mit 119 Metern recht bescheiden, dafür umso ungewöhnlicher präsentieren sich zwei erst im vergangenen Jahr fertiggestellte Hochhäuser in Mailand. Die Außenseiten zieren 800 Bäume, 5.000 Sträucher
und 11.000 Bodenpflanzen – ein kompletter Hektar „vertikaler Wald“. Architekt Stefano Boeri bekam dafür
den renommierten „Internationalen Hochhaus Preis“. Für eine – hoffentlich – beispielhafte Symbiose von
Architektur und Natur.
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REPULSE BAY
Was könnte den Bauherrn eines Apartment-Hauses dazu bewegen, auf Geld zu verzichten? Also auf gute Einnahmen, die ihm der Verkauf von Luxuswohnungen einbringt? Ganz klar: ein Drache. Zumindest, wenn der Bauherr aus Hongkong und mit Drachenmythologie und Feng Shui aufgewachsen ist. So wurde bei diesem Gebäude in der superteuren Repulse Bay mittig einfach ein riesiges Loch ausgespart. Um dem Drachen, der in den Hügeln des Hinterlandes wohnt, den freien Durchflug zum Meer zu ermöglichen. Und ihm nicht die Aussicht zu verstellen. Bei Drachen weiß man ja nie ...
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SUTYAGIN HAUS
Eigentlich sollte es nur einfach höher werden als das Haus des Nachbarn. Ein weltweit gar nicht so unübliches Ziel – das bei Nikolai Petrovich Sutyagin doch einigermaßen außer Kontrolle geriet. 15 Jahre lang baute er sein Heim im hohen Nordwesten Russlands immer weiter aus, bis es die Skyline des Vororts von Archangelsk, in dem er mit seiner Familie wohnte, dominierte: Mit 50 Metern war es das höchste Holzhaus der Welt. Und wäre weiter gewachsen, wenn die Baupolizei nicht einen Riegel vorgeschoben hätte. Vor sieben Jahren musste Herr Sutyagin sein Wunderwerk abreißen.
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THE SHARD
London hat sich in den letzten Jahren ziemlich aufgebrezelt. Moderne trifft ehrwürdiges Mittelalter – das hat auch Charme. Aber was soll das denn? Die Mager-Model-Version einer Pyramide neben der Tower Bridge? immerhin hat Star-Architekt Renzo Piano der Stadt mit diesem postmodernen Albtraum das höchste Gebäude der EU beschert – 310 Meter blankem Grauen sei Dank.
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NEWBY-MC MAHON BUILDING
Wichita Falls, Texas, ist keine Mega-City. Aber es gibt dort schon richtig hohe Häuser. Mit zwölf Metern Höhe gehört das Newby-McMahon nicht dazu. Nicht einmal als es 1919 gebaut wurde, war es wirklich beeindruckend. In New York stand damals bereits das Woolworth Building mit 241 Metern als höchstes Gebäude der Welt. Und dennoch, eines lassen sich die Einwohner von Wichita Falls nicht nehmen: den Status ihres Häuschens als „kleinster Wolkenkratzer der Welt“. J. D. McMahon konnte vor 100 Jahren in einem legendären Streich Investoren dazu bringen, ihm 200.000 Dollar Vorauszahlung für ein 460 Fuß (150 m) hohes Hochhaus zu zahlen. Die Pläne, die er vorlegte zeigten aber ein 460 Inch (12 m) hohes Gebäude. Genau, den kleinsten Wolkenkratzer der Welt ... Das Geld musste McMahon übrigens trotz Klage nie zurückzahlen.
EMPIRE STATE BUILDING
Eines wie keines: Fast ein Jahrhundert lang definierte das 381 Meter hohe Haus in Manhattan unsere Vorstellung eines Wolkenkratzers. Und war tatsächlich länger als die meisten seiner Konkurrenten das höchste Gebäude der Welt. Von 1931 bis 1972, als es vom Nord-Turm des World Trade Centers abgelöst wurde ...
Schon die Baugeschichte als Wettlauf mit dem Chrysler Building war legendär. Filme wie „King Kong“, Andy Warhols „Empire“, „Die große Liebe meines Lebens“ mit Cary Grant, „Independence Day“, „Schlaflos in Seattle“, „The Day After Tomorrow“, „Percy Jackson“ und unzählige andere taten ihr Übriges, um dieses Gebäude einzigartig zu machen.
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The ILLINOIS

Es war 1956, also in dem Jahrzehnt, wo alles möglich schien, als Star-Architekt Frank Lloyd Wright einen Entwurf vorlegte, der mindestens so atemberaubend schien wie eine Mondlandung: Einen 1.609 Meter hohen Wolkenkratzer mit 528 Stockwerken, 76 Fahrstühlen, 1.710.000 m² Nutzfläche. Vier Mal so hoch wie das Empire State Building und auch heute noch doppelt so hoch wie der aktuelle Rekordhalter Burj Khalifa. Doch während die Sache mit dem Mond 13 Jahre später klappte, blieb sein „Mile High Tower“ aufgrund technischer Probleme ein Traum. Aber immerhin schuf Lloyd Wright mit seinem spektakulären Entwurf eine Art Blaupause – sowohl für den Burj Khalifa in Dubai, als auch für den Kingdom Tower, der in drei Jahren alle Rekorde brechen soll.

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KINGDOM TOWER
1.007 Meter hoch, 1,3 Milliarden Dollar teuer. Saudi Arabien lässt es sich einiges kosten, den Ruhm des höchsten Gebäudes der Welt ins Land zu holen. 2019 soll der Bau fertig sein – als Architekt wurde Adrian Smith engagiert, der schon für die arabische Konkurrenz in Dubai den Burj Khalifa geplant hat. Für den er sich, wie er selbst sagt, von Frank Lloyd Wright inspirieren ließ. Das dürfte beim Kingdom Tower sogar noch mehr zutreffen ...

Nein, so richtig hoch ist es nicht, das Hochhaus in der Herrengasse. 52 Meter nur ... Und trotzdem: Was muss das für eine Stimmung gewesen sein, als vor etwas mehr als 80 Jahren ein wenig von der weiten Welt Einzug in die ehrwürdige Wiener Innenstadt hielt. Amerikanisch, modern, großzügig.

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Und frei auch, grad was die Sitten anbelangt. Wohnungen waren damals etwas für Familien. Punkt. Alleinstehende Männer – und die wenigen Frauen, die nicht bis zur Ehe im Schoß der Familie verwahrt wurden – lebten zur Untermiete bei strengen, alterstechnisch über jeden anzüglichen Zweifel erhabenen Vermieterinnen. Besuch des anderen Geschlechts? Keine Chance, dafür sorgte schon das österreichische Kupplerei-Gesetz, das die Vermieterin gleich noch ein bissl strenger machte. Und im neuen Hochhaus wurden jetzt doch tatsächlich „Ledigen-Wohnungen“ angeboten. Ja, richtig angeboten, praktisch wurden junge Männer zum lasterhaften Lebenswandel animiert. Und Frauen auch! Um dem ganzen die Krone aufzusetzen, gab’s ganz oben neben einem schicken Restaurant noch ein Tanz-Café, dessen Dach sich öffnen ließ, so dass man zu nachtschlafener Stunde die Sterne sehen konnte ...
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Es war ein dementsprechend buntes Völkchen, das das Hochhaus von Beginn an bewohnte. Vor allem die „Ledigenwohnungen“ gingen weg wie die warmen Semmeln. Architekten, Grafiker, Modeärzte, Kreative aller Art, Feuilletonisten, Lyriker, Kabarett-Autoren, Schriftsteller, der schillernde, extravagante Essad Bey etwa, zu seiner Zeit mit Sachbüchern und Erzählbänden äußerst erfolgreich, oder Annemarie Selinko, deren Roman „Désirée“ über die „Ex“ des kleinen Napoleon und spätere schwedische Königin nicht nur ein Welt-Bestseller, sondern auch mit Marlon Brando und Jean Simmons in den Hauptrollen verfilmt wurde. Schauspieler wie Oskar Werner, Susi Nicoletti und Curd Jürgens liebten die zentrale Lage. Und zumindest Jürgens auch die lockeren „Vibes“. Seine Wohnungs-Partys in der Herrengasse waren legendär. Dazu kamen Modedesigner, Maschinschreibbüros, Kosmetikstudios und gleich fünf Gymnastikschulen – das Hochhaus machte aus der gesamten Herrengasse einen eigenen Mikrokosmos, der internationales, lebensfrohes Flair ins Viertel brachte...
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Richtig schade eigentlich: Wer sich heute durch die Herrengasse zwängt, bekommt davon nichts mehr mit. Die Zeit ist ungerührt am Hochhaus vorbeimarschiert wie die vielen Touristen und Passanten, die heute auf viel zu schmalen Gehsteigen vom Michaeler Platz oder der Hofreitschule zur Albertina hetzen. Man müsste kurz innehalten, ein paar Schritte zurücktreten, um einen Blick aufs Hochhaus zu werfen – das noch immer Charme und Ausstrahlung hat. Mit dem Zurücktreten ist es beim aktuellen Autoverkehr in der engen Herrengasse allerdings so eine Sache ... Die nicht länger gefährlich bleiben soll, wenn’s nach den Kaufleuten des Viertels geht. Die sehen die Herrengasse im neuen, alten Glanz erblühen. Eine Begegnungszone zwischen Café Central und Freyung, mit Gehsteigen und Straße auf einem Niveau, hübschen Geschäften und Lokalen – eine stimmungsvolle Gegend zum Flanieren und Wohnen soll entstehen. Und ja, das hätte sich Wiens erstes Hochhaus durchaus verdient. www.hochhausherrengasse.at