Leben

Vom Suchen und Finden

Herr Serafin, Ihr Vater ist eine Größe in der Musikbranche. Überlegt man es sich da nicht doppelt, denselben Beruf zu ergreifen?
Daniel Serafin: Anfangs habe ich etwas komplett anderes gemacht und Theaterwissenschaften studiert. Das hat mich aber nicht interessiert und ich habe auf Management umgesattelt. Später habe ich gemerkt, dass ich die Bühne liebe. Da lag es auf der Hand, dass ich Gesang und Schauspiel studiere. Management habe ich weitergemacht.
Warum waren Sie in Ihrer Berufswahl so unentschlossen?
Daniel: Ich habe meinen Weg nicht gleich gesehen. Aber dann sucht man und findet. Es kann aber sein, dass ich in drei Jahren mein Berufsfeld wiederum erweitere. Mir ist jede Aufgabe recht, für die ich Interesse entwickle. Wichtig ist, dass mich etwas reizt und euphorisiert.
Positiv betrachtet könnte man das als Flexibilität bezeichnen.
Daniel: Ich bin einfach vielfältig interessiert. Wenn ich zum Beispiel in New York bin, schaue ich, was gerade auf dem Kunstmarkt läuft. Das letzte Mal war ich im MoMA und im Metropolitan Museum. Ich liebe es, ein breites Spektrum zu haben. Dazu zählen auch Popfestivals wie „Coachella“ in Kalifornien, das ich mir heuer angesehen habe. AC/DC haben gespielt.
Harald Serafin: AC/DC, aha.
Daniel: Ja, du findest das schrecklich. Ich liebe eben auch Musik, mit der mein Vater nichts anfangen kann – Electronic Music oder Hip-Hop. Da sagt er oft: „Um Gottes Willen, mach das leiser“, wenn er bei mir im Auto mitfährt.
Harald: Das ist Zeitverschwendung.
Daniel: Ja, für dich mag es Zeitverschwendung sein.
Harald: Das geht nicht aufs Ziel, Daniel. Ich würde mich mit diesen Ablenkungen schwächen. Fast alle Sänger denken auf einer Ebene und haben nur ein Thema: Wie geht der Ton?
Daniel: Das ist grauenhaft für mich. Ich kann keine Konstante haben und brauche Ups and Downs. Aber wie sagt der Jäger? Wenn du zwei Hasen hinterherjagst, fängst du keinen. Da kann ich mir von ihm schon noch was abschauen.
Das klingt, als hätten Sie den Beruf des Sängers mittlerweile abgehakt, Daniel.
Harald: Er hat die Natur der Mutter. Er hat viele Interessen und ist kein typischer klassischer Sänger.
Daniel: Ich wäre als Künstler unglücklich. Deshalb mache ich Kulturmanagement.
Harald: Daniel ist jetzt über dreißig Jahre alt. Er hat es gerade gepackt und noch zwei, drei Jahre Zeit, um im Management Fuß zu fassen. Das sehe ich bei ihm auch, weil er so kommunikativ ist. Er geht sofort zum Bürgermeister, wenn er ihn sieht, und begrüßt ihn. Darum sage ich: Nimm die Kommunikation als deinen neuen Weg! Du brauchst ja nicht auf der Bühne zu stehen und die Töne zu pfeffern. Dazu braucht es Disziplin.
Daniel: Sänger ist auch ein sehr autarker Beruf. Man ist viel alleine und muss wahnsinnig viele Abstriche machen im Leben, und ich liebe es, zu leben.
Harald: Und ich lebe etwa nicht gerne?
Daniel: Natürlich lebst du auch gerne. Aber du weißt, was ich meine. Ich liebe es, unter Menschen zu sein und in ein Restaurant zu gehen. Ich bin ein sozialer Mensch, der auch einmal gerne in Gesellschaft trinkt und raucht.
Harald: Rauch vertrage ich überhaupt nicht. Abgesehen davon kann ein Künstler nicht in einer verrauchten Bar bis zwei Uhr Früh etwas trinken, wenn er am nächsten Tag Probe hat.

Hatten Sie nie Zeiten, in denen Sie es lockerer angegangen sind, Herr Serafin?
Harald: Das wäre wegen meines Berufes nie möglich gewesen – und wegen meines Naturells auch nicht. Ich gehe nie in Bars und trinke wenig, wenn überhaupt. Ich rauche auch nicht und diszipliniere mich kolossal. Sonst würde ich mein Pensum physisch nicht durchhalten. An dieser Disziplin habe ich Jahre gearbeitet.
Wie muss man sich das vorstellen?
Harald: Meine Disziplin basiert auf einem Problem. Ich wurde schon als Kind ständig eingespannt. Wir sind vor den Russen geflüchtet und nach Bamberg gekommen. Damals war ich 14 und ...
Daniel: Das ist alles nachzulesen in Papas Buch „Es war nicht immer wunderbar“. Machen wir ein bisserl Werbung hier ...
Harald: Warte, es geht ja um das Problem. Ich war immer eingebunden in ein System. Heim von der Schule, Tasche weg, ins Geschäft. Tagaus, tagein. Es gab immer ein Ziel. An Urlaub dachte keiner, denn dann warst du ein fauler Hund. Das war 1950. Und dieses Korsett habe ich erziehungsmäßig beibehalten. Das engt mich ein, weil ich mich für vieles nicht interessiere.
Daniel: Er war in einem Hamsterrad.
Harald: Als ich als Sänger in Pension ging, hatte ich Riesenangst, wie es weitergeht. Dann kam Gott sei Dank Mörbisch, sonst wäre ich eingegangen. Zum Glück werde ich immer noch angefragt. Ich denke nicht daran, mich im Urlaub mit einem Buch hinzusetzen.
Stichwort Mörbisch. War es nie Thema, dass Daniel die Intendanz von Ihnen übernehmen könnte?
Harald: Er hat nicht mal daran gedacht.
Daniel: Das stand nie zur Debatte. Ich wäre ein Idiot gewesen, wenn ich nach dem Vater Mörbisch übernommen hätte. Da hätte ich mir gleich mein eigenes Grab in den See schaufeln können.
Harald: So etwas darf man nicht. Das geht fast in jedem Geschäft. Wenn der Vater Schuster ist, wird der Sohn auch Schuster. Aber im künstlerischen Bereich ist das undenkbar. Da gibt es den größten Neid und sofort zehn andere, die an deinem Sessel sägen. Das ist das Naturell des Künstlers. Fast jeder denkt, er wird ein großer Villazón. Die meisten enden dann im Chor, tragen den Wunsch nach Höherem aber in sich. Da braucht es viel, um durchzuhalten.
Daniel: Außerdem war ich 2012 noch sehr auf Gesang fixiert.
War der Druck nicht auch groß, als Sie 2014 in Steyr als Eisenstein auf der Bühne gestanden sind? Das war immerhin eine Paraderolle Ihres Vaters.
Daniel: Nicht, wenn man die Rolle anders anlegt, was ich auch gemacht habe. Mein Vater hat mir auch gesagt, dass er alles anders interpretiert hätte. Aber Rollen wandeln sich eben mit der Zeit. Das weiß er auch und wird dahingehend im Alter immer toleranter.
Harald: Ich habe das mit großem Interesse verfolgt und mir gedacht: „Aha, das könnte man so oder so machen.“ In Gedanken bleibt man Regisseur. Das lässt sich nicht abstellen. Aber dem Daniel habe ich „Toi, toi, toi“ gewünscht und ihm gesagt: „Komm, zeig deine Kraft.“

Haben Sie denn das Gefühl, Ihr Sohn ist nicht so stark wie Sie?
Harald: Er ist ein ganz anderer Typ. Daniel ist viel sensibler. Ich habe Ellbogen und Kraft, sonst hätte ich nicht immer noch zu tun. Verstehen Sie? Und ich arbeite weiter an meiner Stimme. Bis zu dem Tag, an dem ich ins Grab komme. Bei mir geht das nicht anders. Mir stellt sich immer die Frage: „Was könnte ich dem Schicksal noch entreißen?“ Das ist eine genetische Anerziehung, gegen die ein Mensch machtlos ist.

Ein bisschen hört man heraus, dass Sie es gerne gehabt hätten, wenn Daniel Ihnen in Sachen Ehrgeiz ähnlicher wäre.
Harald: Schauen Sie, er ist ein sehr ehrgeiziger Mensch, bloß nicht für den Beruf eines Sängers bestimmt. Und somit hatte er auch keinen Wunsch, direkt in meine Fußstapfen zu treten. Das hat nur bei meiner Tochter geklappt (Anm.: Opernsängerin Martina Serafin singt in den größten Opernhäusern der Welt, etwa der Mailänder Scala). Sie ist mit 22 Jahren ab ins Engagement nach Deutschland und hat sich damit dem Einfluss ihrer Mutter entzogen (Anm.: Harald Serafins Exfrau Mirjana Irosch). Und meinem auch.
Offenbar ein wichtiger Schritt.
Harald: Das muss man tun. Daniel war hier zu sehr unter meiner Suggestivkraft. Er hat dann während seines Gesangsstudiums Zeit in Salzburg, Paris und Amerika verbracht – studierend und nachts in Bars. Sein Masterstudium hat er letztendlich in New York beendet. Ein ganz anderer Weg als der meiner Tochter.
Waren Sie je eifersüchtig auf Ihre Halbschwester?
Daniel: Eifersucht kenne ich nicht. Sie ist meine Schwester und ich liebe sie. Leider sehe ich sie nur selten, weil Martina viel reist und mit ihrem Mann in Italien lebt. Seit ich Onkel bin, sehen wir einander öfter. Es lebt aber jeder sein Leben.
Harald: Ich möchte nichts vom Druck wissen, den andere Künstler auf ihre Kinder ausüben. Man hört viel. Der eine hat das, der andere das. Das sind Nachwirkungen von zu starker Suggestion der Eltern. Das zerstört vieles und hat meist nichts mit Liebe zu tun. Da fällt der Eifer, den die Eltern aufbringen mussten, um ihren Weg zu gehen, auf die Kinder. Aber der eine ist für eine Aufgabe prädestiniert, der andere nicht. Für Eltern ist es schwierig, zu wissen, wann man seine Kinder laufen lässt.
Fühlen Sie sich von Ihrem Vater geliebt, Daniel?
Daniel: Geliebt schon, aber nicht immer verstanden. Seine Zielstrebigkeit habe ich nicht.
Harald: Der Daniel hat dafür ein ausgleichendes Naturell. Ich liebe ihn, weil er es versteht, mit Menschen umzugehen und sie zu motivieren. Das ist auch ein Talent, an dem man arbeiten kann. Alles, wovon er heute sagt, „ich mache dies, ich mache das“, wird abbröckeln, sobald er Karriere macht. Er wird sich auch reinpowern müssen. In jedem Job muss gebündelt werden. Das muss auch ein Generaldirektor, der täglich 15 Stunden im Büro sitzt.
Daniel: Dabei geht das Leben drauf. Das gibt’s bei mir nicht.
Harald: Dann wirst du auch nie Direktor. Mach erst mal deinen Job, dann ziehen wir in einem halben Jahr Bilanz.
Daniel: Ich habe einen Vertrag unterschrieben und mache erfolgreich meinen Job.
Harald: Trotzdem musst du dich fokussieren, glaube mir. Aber du bist noch jung und gesund. Die schönen Weiber hast du auch. Es ist alles gut.
Daniel: Du warst in drei Ehen. Ich lasse mir lieber Zeit. Ich mag auch keine Ringe, zumindest nicht an meiner Hand.

Wie war denn das mit Ihren drei Ehen, Herr Serafin?
Harald: Zum ersten Mal verheiratet war ich als Student. Das hat auch bis zum verflixten siebten Jahr gehalten.
Daniel: Das waren andere Zeiten. Heute hat man keine Eile mehr, sich zu binden.
Harald: Die zweite Ehe war mit Mirjana Irosch. Wir waren elf Jahre verheiratet, ehe wir uns auseinandergesungen haben. Ich war in Hamburg, Zürich und Frankfurt – und sie in Wien.
Daniel: Und nun bist du seit 33 Jahren mit Mama verheiratet.
Harald: Wir verstehen uns sehr gut. Mausi hatte einen anderen Job. Sie hatte eine Boutique und dadurch ganz andere Reserven.
Sie waren bei der dritten Ehe 48 Jahre alt. Da hat Daniel noch Zeit.
Daniel: Massenhaft. Zum Kinderkriegen auch noch.
Harald: (singend) Lass dir Zeit, wenn du ein Mädel küsst ... Sind Sie verheiratet, Frau Redakteurin?
Nicht, dass ich wüsste.
Daniel: Man braucht heute nicht mehr zu heiraten, Papa. Was ist denn die Ehe? Du sitzt vor dem Standesbeamten und denkst: Das ist der Weg zum Himmel. Schwachsinn. Es ist ein Vertrag, den du machst.
Harald: Jemanden zu haben, der zu einem passt, ist ein Glück. Stell dir vor, jemand gurgelt beim Zähneputzen.
Daniel: Du hast Glück. Die Mausi erträgt, wenn du das machst.
Harald: Oder du schnarchst.
Daniel: Ich schnarche angeblich wirklich.
Harald: Wichtig ist, dass man sich ein bissl anpasst – nicht beleidigt sein und dem anderen bei Differenzen den Kopf nicht abhacken.
Daniel: Eben. Und diesen Kompromiss bin ich derzeit nicht bereit, zu machen.
Harald: Dann ist mir lieber, du lässt es bleiben.

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Harald Serafin, Gattin Ingeborg Serafin (2. v. l.), Sänger Daniel Serafin und Begleitung beim diesjährigen Opernball.

Der Sohn von Harald Serafin und seiner Frau Inge, genannt „Mausi“, wurde 1981 in Wien geboren. Als Kind musste er den singenden Vater oft entbehren. „Ich war keiner, der mit dem Daniel Eisenbahn gespielt hat“, sagt Harald Serafin heute. Nach der Matura an der „Vienna International School“ studierte Daniel Gesang in Salzburg, Wien und New York. Sein letztes großes Engagement als Sänger hatte er 2014 beim Musikfestival Steyr. Im selben Jahr war er auch Kandidat bei „Dancing Stars“. Das Singen hat Serafin derzeit auf Eis gelegt und ist im Vorstand des Österreichischen Musiktheater- preises, der am 8. Juni im Wiener Ronacher vergeben wird.

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Der Kammersänger wurde 1931 in Litauen geboren und flüchtete 1939 mit seiner Familie nach Ostpreußen und später nach Bayern. Nach der Matura studierte er auf Wunsch der Eltern Medizin, entschied sich dann aber für Gesang. Es folgten Jahre als gefeierter Operettenstar, ehe Serafin 1989 wegen eines Stimmbandkarzinoms seinen Beruf aufgeben musste. „Die Rettung“ für den Workaholic waren seiner Aussage nach die Seefestspiele Mörbisch, deren Intendanz er 1992 übernahm – eine 20-jährige Erfolgsstory. Auch sein Auftritt als Juror in der TV-Sendung „Dancing-Stars“ war: „Wunderbar!“ Harald Serafin, der heute noch Theater spielt, wurde zur Kultfigur.