Leben/Gehen

SWOGGG in Down Under

Ich gehe über den austernförmigen Victoria Square hinüber Richtung King William Street und bin völlig aus dem Häuschen. Die Autos kommen von überall, was nicht heißt, dass sie vietnamesisch oder sizilianisch jede Lücke ansteuern, die sich im viel zu dichten Verkehr auftut, es reicht schon, dass hier in Adelaide, Südaustralien, Linksverkehr herrscht, ohne dass wie in London an jeden Randstein „Look right“ gepinselt wäre.
Außerdem ordnet sich auch der Fußgängerverkehr nicht so, wie ich das gewohnt bin. Ich bin gewohnt, dass auf dem Trottoir genug Platz für alle ist, und dass man über die Straße geht, sobald kein Auto kommt. Hier hingegen bleiben die Passanten auch vor einer völlig autofreien Straße stehen, wenn die Ampel Rot zeigt, und warten darauf, dass aus einem unsichtbaren Lautsprecher ein Geräusch ertönt, das irgendein Stadtplaner einer Playstation geklaut haben muss: SWOGGG, gefolgt von einem gefälligen Rattern, was es auch eher introspektiven Menschen gestattet, die Straße zu überqueren, ohne sich zu fühlen wie ich, nämlich: gehetzt; verkannt; am falschen Platz.
Natürlich ändert sich das bereits, als ich die King William Street hinunter zum River Torrens spaziere, an der zweiten oder dritten Kreuzung habe ich das SWOGGG schon ein bisschen lieb gewonnen und bleibe, wo kein SWOGGG ertönt, einfach stehen, irgendwann schiebt mich die Masse schon weiter.
Als ich schließlich an der Uferpromenade von Südaustraliens Hauptstadt angekommen bin, wo ich mich ein bisschen auszittern möchte nach einem Tag im Flugzeug, finde ich mich zwischen moderner Eventarchitektur und einer überwältigenden Vegetation wieder. Blätter, Gräser und mir völlig unbekannte Blüten bilden die Kulisse für den Auftritt einer erstaunlichen Vogelwelt: Kakadus und Papageien, schwarze Schwäne und Pelikane (und erwartet von mir nicht, dass ich die exakten zoologischen Bezeichnungen kenne; ich staune nur).
Ich staune, als ich den Uferweg entlangmarschiere, den sich Fußgänger, Läufer und Spaziergänger teilen, dass die Radfahrer immer vorsorglich klingeln, bevor sie dich überholen, sodass du nicht erschrickst und ihnen die Pest an den Hals wünschen musst.
Ich staune, dass dich die Jogger grüßen, als ob du mit ihnen in derselben Marathonstaffel unterwegs wärst, auch wenn du mit aufgestelltem Kragen möglichst jamesdeanmäßig den Vorwärtsgang einlegst. Weil es nämlich gerade Herbst ist in Australien, was man nicht wissen kann, wenn daheim langsam der Mai Gestalt annimmt; aber gemach, die Australier wissen es auch nicht, worüber ich dann am allermeisten staune: Überall Menschen, die kurze Hosen, kurzärmlige T-Shirts und Flip-Flops tragen, was mir das Gefühl gibt, in meiner Daunenjacke völlig ungerechtfertigt zu frieren.
Aber dann überquere ich das Torrens River Weir Gate, schlage einen großen Haken und gehe auf der anderen Flussseite weit hinauf, bis ich schließlich in den Botanischen Garten komme, der endgültig mein Herz erwärmt.
SWOGGG. War aber auch wirklich notwendig.