Christian Seilers Gehen: Im Farbenrausch am Wörthersee
Von Christian Seiler
Eigentlich ist der Wörthersee zum Schwimmen gemacht, zum Pritscheln, zum Tauchen, vielleicht auch zum Segeln oder Paddeln, zum majestätischen Dahingleiten auf einem Frauscherboot oder wenigstens dem Ausflugscruiser „MS Kärnten“. Es könnte auch durchaus interessant sein, mit einem hübschen Einbaum dem Südufer des Sees entlang zu schippern, um den großen Besitztümern der reichen Wörtherseemagnaten ins Gesicht zu schauen – von der Süduferstraße aus sieht man nur deren kalte Schultern.
Am vielleicht schönsten ist der Wörthersee, wenn man ihn für einen stillen Moment einfach betrachtet (und wenn man für diese Betrachtung einen Moment wählt, der kein sonniger Sonntagnachmittag ist, weil dann das Urlaubsbunt greller ist als sonst und der schöne Frieden des Sees von spitzen Kinderschreien und dem Sound seeumrundender Harley Davidsons perforiert wird).
Ich machte mich also auf die Suche nach einem besonders schönen Platz, um von dort den See zu betrachten. Als Ausgangspunkt wählte ich die Schiffsanlegestelle Reifnitz. Zuerst saß ich im hübschen Garten des Strandhotels Sille, wo ich mir einen Verlängerten spendierte, und dachte darüber nach, welche Farbe das Wasser wohl hat. Es changierte zwischen einem karibischen Türkis und einem hellen Blau, spiegelte aber auch die Hügel hinter Pörtschach in einem Flaschengrün, das so unruhig war wie die Wasseroberfläche selbst. Als der Kaffee getrunken war, beschloss ich, den Blick von oben zu suchen, der die Gegend abstrakt macht und geräuschlos.
Ich ging von Reifnitz über eine ziemlich steile Straße hinauf zur Kirche St. Anna, wo einmal ein nettes Ausflugsrestaurant gewesen war, das derzeit zum Verkauf steht. Dort nahm ich den Weg weiter nach St. Margarethen. An der Abzweigung von der Straße blieb ich stehen, weil ein voluminöser Bauernhof samt Stadel eine Geschichte von damals erzählte, als hier noch die Bauern und nicht die Touristiker das Sagen hatten: ein Prachtbau, bestimmt ein paar hundert Jahre alt, an den Mauern Fresken von Heiligen, unter den Mauervorsprüngen schön geschlichtetes Holz, aus dem Stadel duftete Heu. Ich ging verzaubert weiter in den Wald, wo ich gleich einmal einen Wegweiser falsch interpretierte und auf steilen Wegen Richtung Pyramidenkogel stieg, anstatt auf dem breiten Pfad hinüber zur Burgruine zu spazieren. Es kostete mich eine Menge Schweiß und das Eingeständnis, dass meine brieftaubenmäßige Orientierungsfähigkeit vielleicht doch ein bisschen menschlicher ist als ich dachte, bis ich schließlich doch in St. Margarethen ankam – über den Mittelteil möchte ich schweigen, er war etwas gatschig.
Ich schaute lang Richtung Karawanken und auf das Schauspiel, das die Wolken dort boten. Dann ging ich durch dichten Wald zurück Richtung Reifnitz. Auf einer kleinen Lichtung blieb ich überrascht stehen. Im Hintergrund sah ich jetzt den See, wie er passgenau im Grün der Landschaft lag. Aber im Vordergrund wartete eine Hängematte auf mich. Meine Wanderung endete liegend, leise schwankend im Wind, hoch über dem See.
christian.seiler@kurier.at