Christian Seilers Gehen: Danke an alle!
Von Christian Seiler
Ich gehe vorbei am „Gasthaus zur Stadt Krems“, siebenter Bezirk, Zieglergasse. Schönes Wirtshaus, gut bewirtschaftet, aber mir fehlt etwas. Mir fehlt die Ansage, mit der Michael Horowitz, Gründer und langjähriger Schriftleiter der freizeit, bei der Chefin seine geliebte Kalbsstelze bestellt: „Dunkel bitte. Genauso wie letzte Woche.“
Natürlich fehlen auch die übrigen KURIER-Kollegen, die hier ihre oft ausführlichen Mittagsmahlzeiten einnahmen. Logisch, denke ich mir, als ich später durch die Lindengasse spaziere, ist schon ziemlich lange her, fast 30 Jahre, der KURIER wohnt hier nicht mehr. Aber an den Fassaden des damaligen Gegenübers hängen noch die Blicke von damals, als wir darüber sprachen, dass eine Kolumne für die freizeit doch genau das Richtige sein könnte, und dann begann ich der p.t. Leserinnenschaft die Welt zu erklären: „Lebenshilfe“. Wie man einen Knopf annäht. Wie man einen Koffer packt. Wie man tagträumt. Das war schön, danke für die Einladung.
Mein Weg führt mich in die Innenstadt, Kärntner Straße, Stephansplatz, Lugeck, und plötzlich stehe ich in der Schönlaterngasse und betrachte den Basilisken, wie er zufrieden die barocke Fassade der Hausnummer 7 schmückt. Der Basilisk ist bekanntlich aus dem Ei eines Hahns geschlüpft, das eine Kröte ausgebrütet hat, und ich muss mir jetzt, etwa 25 Jahre später, die Frage stellen, wieso Schriftleiter Horowitz auf die Idee kam, meine zweite freizeit-Kolumne, kurze Erzählungen aus Wien und Umgebung, unter dem Titel „Der Basilisk“ erscheinen zu lassen. Wenn ich zum Beispiel die Gastwirtschaft „Grünauer“ in der Hermanngasse betrat, rief der Oberkellner immer vernehmlich: „Achtung, der Basilisk“. Immerhin achtete er stark darauf, dass ich nirgendwo mein Spiegelbild sehen musste, weil der echte Basilisk ja „vor Wut und Ingrimm“ zerplatzte, als er im Spiegel „seiner Scheußlichkeit“ gewahr wurde. Trotzdem danke.
Dann trat der Hund Barolo in mein Leben und auch in das Leben vieler freizeit-Leserinnen und -Leser. Mit meinem Hund Barolo verbrachte ich fast 15 wunderbare Jahre. Es entstanden 748 Barolo-Kolumnen, in denen eine ganze Menge passierte, unzählige Kleinigkeiten, die sich langsam zum Begriff „Leben“ summieren. Ich folge den haarigen Erinnerungen, gehe von der Innenstadt Richtung Prater, wo sich die schönste Hundezone der Stadt befindet und ich mir immer noch, wenn ich manchmal Sehnsucht habe, die herrlichen Gaga-Monologe abhole, die entstehen, wenn Hundebesitzer glauben, dass ihr Hund sie versteht: „Jetzt aber wirklich Platz, Rigo. So geht das nicht. Immer stehst du auf, wenn ein anderer Hund kommt. Wir haben schon so oft darüber gesprochen…“
Nachdem der Barolo – wie oft haben wir darüber diskutiert, warum ich DER Barolo sage, obwohl er doch ein Weibchen war – sich verabschiedet hatte, musste ich neu lernen, spazieren zu gehen. Nämlich dann, wenn ICH will, nicht wenn ER muss. Ist auch ein Dankeschön wert.
Ich verlasse die Hundezone und gehe auf der Hauptallee Richtung Praterstern. Danke an alle, dass ich Ihnen das erzählen darf.
christian.seiler@kurier.at